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Tagebücher120
sen sammeln sich an unseren grenzen siebenbürgens und der Bukowina,
der Befehl zum einrücken in die Wallachey war vor einigen tagen schon
gegeben, als plötzlich Preußen auf grund des vertrages vom 20. April ein-
sprache erhob und verlangte, man sollte die russische Antwort abwarten,
so wurde denn das einrücken sistirt, wir sind da wieder ziemlich unüber-
legt zu Werke gegangen.
omer Pascha und seine Alliirten dürften nun den krieg nach Bessara-
bien und vielleicht nach der crim tragen, ob wir die russen angreifen wer-
den, wenn sie, wie es den Anschein hat, die moldau nicht räumen? – – es
ist jetzt der Augenblick der crisis, und Wien ist der Punkt, wo sie sich
entscheiden muß, das fühlt ganz europa. ich wiederhole, was ich neulich
sagte, ich fürchte nur einen halben krieg.
der gefürchtete napier hat bisher in der ostsee nichts gethan als Pira-
terie getrieben, diese englischen und französischen lorbeeren sind bis nun
sehr mäßig, und zur ehre der fortschreitenden humanität hoffe ich, daß
dieses der letzte krieg gewesen seyn wird, in welchem man Privateigen-
thum wegnimmt oder zerstört.
Wieder und immer wieder komme ich darauf zurück: so lange man nicht
wieder auf den Boden des rechtes zurück kehrt, ist und bleibt die Welt ein
chaos, eine räuberhöhle, es ist jetzt dahin gekommen, daß der abstracte
Begriff des Rechtes ich möchte sagen officiell verlacht und verhöhnt und die
brutale gewalt principiell vergöttert wird. die tiraden und versuche der
liberalen und demokraten von 1848, dann churhessen, schleswigholstein,
die „rettenden thaten“ allüberall, die ministeriellen declamationen gegen
„die revolution in schlafrock und Pantoffeln“,1 der 2. december 1851,2 die
ganze kette der österreichischen regierungshandlungen vom sommer 1848
bis zum sequester der lombardischen güter und die gränzsperre gegen die
schweiz etc., Alles dieses hat eine so profunde immoralität hervorgerufen,
wie sie selbst zu napoleonischer Zeit, wo doch nur ein starker sich über Al-
les hinweg setzte, nicht vorhanden war. nun zeigen sich die früchte in den
der Donaufürstentümer wurde vom neu ernannten Gesandten Fürst Alexander Gorčakov
überbracht. russland erklärte sich darin zu verhandlungen über eine räumung allerdings
unter Bedingungen bereit, u.a. der forderung, dass die durch den rückzug frei werdenden
gegnerischen truppen nicht an anderer stelle gegen russland eingesetzt werden dürften.
1 Bekannt wurde dieser Ausspruch durch eine rede von ministerpräsident frh. otto v. man-
teuffel am 8.1.1851 in der ersten preußischen kammer, in der er in Anspielung auf die
bürgerliche revolution von 1830 in frankreich sagte: „Ja, meine herren, ich erkenne eine
solche revolution für sehr gefährlich, gerade weil man sich dabei in schlafrock und Pan-
toffeln beteiligen kann, während der Barrikadenkämpfer wenigstens den mut haben muss,
seine Person zu exponieren“.
2 der staatsstreich louis napoleons in frankreich.
„Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
Tagebücher 1839–1858, Volume III
- Title
- „Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
- Subtitle
- Tagebücher 1839–1858
- Volume
- III
- Author
- Viktor Franz Freiherr von Andrian-Werburg
- Editor
- Franz Adlgasser
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2011
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-78612-2
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 476
- Keywords
- Viktor Andrian-Werburg (1813 - 1858), Revolution 1848, Austrian Neoabsolutism, Austria future (1842), Late Vormärz, Reform and Repression
- Category
- Biographien