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November 1854
[Wien] 27. november
Am 21. ging ich zu Buol, er empfing mich damit, daß er mir sagte, ich sey
ihm zuvorgekommen, da er die Absicht gehabt hätte, mich zu sich bitten
zu lassen, um sich über meinen neulichen Brief mit mir auszusprechen, ich
sagte ihm dann, daß ich ebendeßhalb gekommen sey, um das, was ich da-
mals geschrieben, zu wiederholen, und daß ich ihm nicht verhehlen wolle,
daß es sich dabey zugleich um eine frage der existenz für mich handle, so
daß ich, wenn sich hier nichts machen sollte, genöthiget seyn würde, mich
anderswo umzusehen. er antwortete, daß er selbst schon längst an diese
sache gedacht und gewünscht habe, mir eine angemessene stellung zu ge-
ben, da er es aus mancherley ursachen für zweckmäßig und wünschens-
werth hielte, daß ich in die lage gebrachte werde, der regierung meine
dienste zu widmen, wiewohl er sich die schwierigkeiten dieses unterneh-
mens nicht verhehle. er habe daher schon früher die Absicht gehabt, mit
dem kaiser darüber zu sprechen, und werde dieses nun um so mehr thun,
nur wünsche er, daß ich mein gesuch an denselben nicht ausschließlich auf
eine diplomatische verwendung, sondern ganz allgemein stelle, um ihm
seine Aufgabe zu erleichtern. Wir kamen sodann auf die kammerherrnge-
schichte zu sprechen, und ich ergriff diesen Anlaß, um ihm für die loyale
und warme Art, in welcher er sich bey gelegenheit der im vorigen Jahr
durch lanckoronski von ihm abverlangten diplomatischen correspondenz
aus dem Jahre 1848 über mich ausgeprochen hatte, zu danken, was ihn
sichtlich bewegte, so daß ich selbst über den eindruck meiner Worte über-
rascht war.
kurz, die ganze unterredung war von der Art, daß er einen noch lebhaf-
teren Antheil an der sache zu nehmen schien als ich selber. ich fertigte
dann gleich am nächsten tage mein kurzes gesuch an den kaiser ab und
hoffe nun auf ein baldiges und, wenn Buol nur irgend einen Einfluß besitzt,
auf ein günstiges resultat.
tags darauf, am 22., fuhr ich nach grafenegg, von wo ich gestern nach-
mittags, beydemahle mit rudolph lamberg, zurückkehrte, wir hatten drey
sehr angenehme und günstige Jagdtage, die mir in jeder Beziehung sehr
wohl thaten. Breuner, der durch einen Armbruch verhindert ist mitzujagen,
schien sehr erfreut über meinen Besuch und gefiel mir dort in seinem Ele-
mente als gutsherr, umgeben von seinen nachbarn und freunden, von de-
nen er allgemein verehrt und geliebt ist, dahin also reicht zum glücke und
zur ehre unserer standes- und Berufsgenossen die kaiserliche ungnade
nicht.1 – – sein schloß und das ganze etablissement, welches er mit eben-
1 graf August Breunner-enckevoirth war ebenso wie Andrian im dezember 1853 die Aus-
übung der kämmererwürde und der Zugang zum hof untersagt worden.
„Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
Tagebücher 1839–1858, Volume III
- Title
- „Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
- Subtitle
- Tagebücher 1839–1858
- Volume
- III
- Author
- Viktor Franz Freiherr von Andrian-Werburg
- Editor
- Franz Adlgasser
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2011
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-78612-2
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 476
- Keywords
- Viktor Andrian-Werburg (1813 - 1858), Revolution 1848, Austrian Neoabsolutism, Austria future (1842), Late Vormärz, Reform and Repression
- Category
- Biographien