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Tagebücher160
wärtigen Angelegenheiten zu werden, und nimmt er jetzt die finanzen an,
so geschieht das mit diesem rückgedanken.
in england ist eine ministercrisis eingetreten, allem Anscheine nach wird
Palmerston das kriegsministerium erhalten und Aberdeen austreten, also
noch weniger Aussichten auf frieden, an den ich übrigens nie geglaubt habe,
die sogenannte Annahme der 4 Punkte von seite rußlands am 7. dieses mo-
nats zeigt sich nunmehr als ein Wasserstreich, welcher nur die täuschen
konnte, die getäuscht seyn wollten, und zu diesen scheint unser allergnädig-
ster herr zu gehören oder wenigstens damals gehört zu haben, überhaupt
sind die schwankungen noch nicht alle überwunden, die Aristokratie und die
hohen generäle sind entschiedener russisch als je und lassen es an demon-
strationen nicht fehlen. tout cela n’empêche pas, daß wir in 3 monathen krieg
gegen rußland haben werden. franz crenneville ist heute nach Paris, um die
militärischen verabredungen zu führen. Piemont schickt 15.000 mann nach
der crim, als Preis dafür ist ihm von unserm treuen Alliirten l. napoleon die
Aussicht auf die lombardie (gegen das an frankreich abzutretende savoyen)
vorgenebelt worden, und hier wurde bereits sondirt, ob wir nicht etwa die
lombardey gegen die donaufürsten
thümer eintauschen wollten?! …
das Wichtigste aber für den Augenblick geschieht in frankfurt, in ein
paar tagen dürfte der Bundesbeschluß auf halbe mobilisirung erfolgen, ob
sich dann Preußen und die ihm anhangende minorität fügen wird? werden
wir sehen, jedenfalls nur anscheinend.
[Wien] 5. februar
es war in diesen 8 tagen grimmig kalt, bis 10° r., seit heute scheint es
nachzulassen, ich wiederhole: wäre ich doch noch in egypten.
neues gibt es wenig, die französische eisenbahnpachtgesellschaft hat
ihre subscriptionen aufgelegt (nota bene bloß in Paris) und somit den ver-
trag mit unserer regierung veröffentlicht, derselbe ist wahrhaft haarsträu-
bend, der liederlichste junge taugenichts hätte sich kaum ähnliche Bedin-
gungen gefallen lassen. für die Börsespeculanten ist dieses übrigens eine
wahre himmelsgabe.
diese dinge, überhaupt unsere trostlosen finanzen und sonstigen ma-
teriellen Zustände beschäftigen die öffentliche Aufmerksamkeit des öster-
reichischen Publikums weit mehr als die große politische frage.
mehr zu fürchten sein, es wird unterliegen.“ die Wiener Zeitung v. 22.1.1855 meldete da-
gegen, Bruck habe zwar die sympathischen gefühle für den sultan, die türkei und ihre
Armee ausgedrückt, in den veröffentlichten versionen wären jedoch die bedeutendsten
sätze entstellt und die motivierenden gedanken und Aussagen zur haltung österreichs in
der orientalischen frage weggelassen worden, weswegen man den trinkspruch erst nach
einlangen einer authentischen version publizieren werde.
„Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
Tagebücher 1839–1858, Volume III
- Title
- „Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
- Subtitle
- Tagebücher 1839–1858
- Volume
- III
- Author
- Viktor Franz Freiherr von Andrian-Werburg
- Editor
- Franz Adlgasser
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2011
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-78612-2
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 476
- Keywords
- Viktor Andrian-Werburg (1813 - 1858), Revolution 1848, Austrian Neoabsolutism, Austria future (1842), Late Vormärz, Reform and Repression
- Category
- Biographien