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Juli 1857
um 3 uhr war großes diner von 400 gedecken im redoutensaale, an
tischreden kein mangel. Bruck hielt eine elektrisirende rede über den
suezcanal, sprach von dem Widerstande der englischen regierung, wie
aber heutzutage eine regierung ohnmächtig gegen die öffentliche meinung
sey (!!), und forderte die versammlung auf, ihr votum abzugeben für lesseps
und gegen lord Palmerston.
überhaupt war Bruck so recht in seinem elemente und während aller die-
ser tage so recht eigentlich le héros du jour, er ist wie Antaeus und gewinnt
seine kraft wieder, wenn er den heimathlichen Boden berührt, er ist jeden-
falls ein ganzer kerl, aber doch kein finanzminister.
denselben Abend war großes fest im lloydarsenal, wo 2 dampfboote
vom stapel gelassen wurden, die lloydarbeiter vor dem kaiser défilirten
etc. Am nächsten tage nachmittags war große spazierfahrt ins hohe meer
hinaus auf 10 lloyddampfschiffen und große Beleuchtung und bengali-
sches feuer in stadt und hafen, als wir gegen 10 wiederkehrten, das war
überwältigend schön und unvergeßlich, überhaupt war der eindruck, den
ich und wohl Alle Anderen mit mir von diesen 2 tagen in triest mitgenom-
men haben, ein ununterbrochen freundlicher, wohlthuender, anregender,
ohne daß auch nur der geringste mißton dazwischen getreten wäre. Bey
mir kam noch der umstand hinzu, daß ich eine menge alter Bekannter von
nahe und ferne traf.
mittwoch den 29. früh 6 uhr sollten wir nach Adelsberg abfahren, wo
uns krain ein grottenfest bereitet hatte. Bey der ungeheuren masse von
menschen aber, welche diese fahrt ebenfalls mitmachen wollten, mußten
mehrere Züge gebildet werden, zudem fehlten und fehlen noch gegenwärtig
auf dieser neuen Bahnstrecke eine menge vorrichtungen und mittel, so
daß ich erst um 8 abfahren konnte und froh war, mit einer gesellschaft
triester damen und herren einen Wagen iii. klasse zu erwischen, die
hitze war wie in allen diesen tagen fürchterlich, wir fuhren schlecht, der
Zug vor uns wurde durch entgleisung dreyer Wägen fast 2 stunden lang
aufgehalten, daher auch wir, kurz wir kamen erst um 2 uhr nach Adels-
berg, ich besah mir da die ziemlich spärlich erleuchtete grotte, kam aber
nur bis zum tanzsaale, dann hatten wir ein ziemlich manquirtes soge-
nanntes déjeuner am Bahnhofe, hitze, Wein und dumme tischreden, zum
glücke dauerte die geschichte nicht lange, um 5 fuhren wir ab, die nacht
durch, und gestern gegen mittag stieg ich hier in Baden aus, froh wieder
einen kühlen blauen himmel über mir und eine freundliche grüne gegend
vor mir zu haben.
hier gedenke ich noch bis montag den 3. zu bleiben und dann in die stadt
zu ziehen. Zwischen dem 8. und 10. reise ich ab, in ein seebad, wahrschein-
lich ostende, Boulogne oder trouville.
„Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
Tagebücher 1839–1858, Volume III
- Title
- „Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
- Subtitle
- Tagebücher 1839–1858
- Volume
- III
- Author
- Viktor Franz Freiherr von Andrian-Werburg
- Editor
- Franz Adlgasser
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2011
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-78612-2
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 476
- Keywords
- Viktor Andrian-Werburg (1813 - 1858), Revolution 1848, Austrian Neoabsolutism, Austria future (1842), Late Vormärz, Reform and Repression
- Category
- Biographien