Page - 10 - in Über die Produktion von Tönen - Beziehungen von Arbeit und Musizieren, Österreich 1918 – 1938
Image of the Page - 10 -
Text of the Page - 10 -
sowie die Industrialisierung als Vorläuferprozesse einer Entwicklung, die sie als
Kodifizierung von Arbeit bezeichnen.5 Diese fand ab den 1880er- Jahren nicht nur in
Europa, sondern auch in außereuropäischen Gesellschaften statt. Die Kodifizierung
der Arbeit – die „in erster Linie über juristische Definitionen und Festlegungen“ 6
erfolgte
– beinhaltete miteinander zusammenhängende Prozesse wie die enge Verbin-
dung von Arbeit und sozialem Status, die Verbindung von Arbeit und Nationalstaat
(etwa im Sinne „deutscher Arbeit“) sowie Arbeit und Arbeitende als Objekte von
Wissensproduktion in Statistiken, Berichten etc. Brigitta Bernet sieht die Kodifizie-
rungen von Arbeit u. a. in Arbeitsrecht und Sozialversicherung 7 ebenfalls als zentrale
Entwicklung, betont aber vor allem die Soziale Frage – also eine Perspektive auf
wirtschaftliche Probleme, die gesellschaftliche und nicht individuelle Lösungen in
den Vordergrund stellt – als Vorläufer dieser Entwicklung.8 Damit einher ging die
Aufforderung an Individuen, sich als arbeitende Subjekte zu verstehen
– bei entspre-
chenden Sanktionen für jene, die nicht in diesen Rahmen passten 9
– ebenso wie die
Nationalisierung und „Vermännlichung“ von Arbeit.10 Beide Analysen zeigen, dass
nicht nur deutliche Veränderungen dessen, was noch oder nicht mehr als Arbeit ver-
standen wurde, sondern dass die Relevanz und Verbindlichkeit dieser Arbeit selbst
–
in unterschiedlichen Kontexten – auf dem Spiel stand. Eine spezifische Neuerung
in der Organisation von Arbeit zu Beginn des 20. Jahrhunderts wird von Sigrid
Wadauer, Alexander Mejstrik und Thomas Buchner mit der Institution des Berufs
angesprochen. Einen eng umgrenzten Bereich von Tätigkeiten mittels Ausbildung
früh zu erlernen und dann ein Leben lang auszuüben, war in der frühen Neuzeit
nur Lebensweise von kleineren Gruppen von Arbeitenden gewesen.11 Zu Beginn
des 20.
Jahrhunderts wurde diese Vorstellung unter dem Begriff des Berufs erstmals
auch als Anspruch an breitere Bevölkerungsgruppen formuliert.12 Als spezifische
Form der Lohnarbeit wurde Beruf nicht nur in Berufsratgebern propagiert und in
statistischen Konstruktionen vorausgesetzt, sondern erlangte auch auf gesetzlicher
Ebene
– etwa im Berufsschutz der öffentlichen Arbeitsvermittlungen
– Bedeutung.
All diesen Entwicklungen der Aufwertung und Kodifizierung von Arbeit stand die
Abwertung und Delegitimation von ‚Nicht- Arbeit‘ gegenüber. Gelegenheitsarbeit,
5 Conrad/Macamo/Zimmermann, Kodifizierung.
6 Ebd., 456.
7 Vgl. auch Conrad, Wohlfahrtsstaat, 574; Kocka, Work, 10.
8 Bernet, Insourcing, 279 ff. Vgl. dazu auch Zimmermann, Arbeitslosigkeit sowie Castel,
Metamorphosen.
9 Ebd., 280.
10 Ebd., 281.
11 Ehmer, Geschichte, 30, 35.
12 Wadauer/Mejstrik/Buchner, editorial.
Open Access © 2019 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO. KG, WIEN KÖLN WEIMAR
Einleitung10
back to the
book Über die Produktion von Tönen - Beziehungen von Arbeit und Musizieren, Österreich 1918 – 1938"
Über die Produktion von Tönen
Beziehungen von Arbeit und Musizieren, Österreich 1918 – 1938
- Title
- Über die Produktion von Tönen
- Subtitle
- Beziehungen von Arbeit und Musizieren, Österreich 1918 – 1938
- Author
- Georg Schinko
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20802-0
- Size
- 15.5 x 23.5 cm
- Pages
- 310
- Keywords
- Music-making, Musician, Work, Vocation, Art, Austria, Correspondence analysis, Life Writing, Interwar period --- Musizieren, Musiker, Arbeit, Beruf, Kunst, Österreich, Korrespondenzanalyse, Lebensgeschichtliche Erzählung, Zwischenkriegszeit
- Category
- Kunst und Kultur