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2.3 Differenzierungen und Konflikte 1918 – 1938
Der hier skizzierte Überblick über die zentralen Entwicklungslinien des Musizierens
muss angesichts des Forschungsstandes vor allem zu Musizierformen wie Wander-,
Straßen- oder Volksmusizieren unvollständig bleiben. Die Verbindungen zum Musik-
leben nach 1918 sind aber dennoch offensichtlich. In Anlehnung an das im ersten
Kapitel beschriebene Forschungsprogramm wird Musizieren nach 1918 in Form der
vorherrschenden Konfliktlinien beschrieben, als erste Annäherung an die Frage nach
den in diesen Konflikten erzeugten, hierarchisch organisierten Kategorisierungen, die
für damaliges Musizieren maßgeblich waren. Im weiteren Verlauf meiner Arbeit wer-
den diese Kategorisierungen auf Grundlage einer statistischen Methode systematisch
konstruiert. Welche Formen des Musizierens wurden damals unterschieden und in
welchen Konflikten wurden sie verwendet? Was galt überhaupt noch als Musizieren
und was nicht mehr? Die Orientierung an diesen Fragen scheint mir am besten geeig-
net zu sein, einen Raum des Musizierens in der Zwischenkriegszeit zu konstruieren.
2.3.1 Der Konflikt zwischen Berufsmusizieren
und Amateurtum spitzt sich zu
In Österreich stellte in der Zwischenkriegszeit die Unterscheidung von Berufsmusike-
rInnen einerseits und AmateurInnen/DilettantInnen andererseits einen für bestimmte
Musizierformen zentralen Gegensatz dar.62 Diese große Relevanz der Unterscheidung
erklärt sich nicht nur aus Entwicklungen wie der Entstehung einer musikalischen
Massenkultur oder der starken Zunahme musikalischer Ausbildungsformen, sondern
steht ganz im Zeichen einer allgemeinen europäischen Entwicklung zu Beginn des
20.
Jahrhunderts: „Wurde Erwerbsarbeit immer mehr zum legitimen, offiziell richtigen
Lebensunterhalt, so Beruf immer mehr zur legitimen Arbeit.“ 63 Nach dem Ersten Welt-
krieg waren vielfältige Maßnahmen wie die Einrichtung und der Ausbau staatlicher
Arbeitsämter, die die Kategorie Beruf betonten, aber auch die zunehmende Bedeutung
der Berufsberatung für Jugendliche oder der Ausbau der Berufsstatistik Ausdruck die-
ser Entwicklung. Beruf wurde immer wichtiger, auch wenn
– oder gerade weil
– selbst
Experten nicht immer klar war, was damit eigentlich gemeint war.64 Wenn auch in
62 Eine detailliertere Behandlung der Konstruktion dieses Gegensatzes findet sich in Schinko,
Annäherungen sowie zu Beginn von Kapitel 6.
63 Wadauer/Mejstrik/Buchner, editorial, 7.
64 Vgl. Lazarsfeld, Jugend, 45: „Wir können also nicht damit rechnen, konkrete Auskunft darüber
zu bekommen, was im einzelnen zur Arbeitsverrichtung noch dazu gehört, damit sie zum
Komplex Berufsarbeit wird.“
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Über die Produktion von Tönen
Beziehungen von Arbeit und Musizieren, Österreich 1918 – 1938
- Title
- Über die Produktion von Tönen
- Subtitle
- Beziehungen von Arbeit und Musizieren, Österreich 1918 – 1938
- Author
- Georg Schinko
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20802-0
- Size
- 15.5 x 23.5 cm
- Pages
- 310
- Keywords
- Music-making, Musician, Work, Vocation, Art, Austria, Correspondence analysis, Life Writing, Interwar period --- Musizieren, Musiker, Arbeit, Beruf, Kunst, Österreich, Korrespondenzanalyse, Lebensgeschichtliche Erzählung, Zwischenkriegszeit
- Category
- Kunst und Kultur