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Vereinsfeste (drei Stunden Marsch, fünf Stunden Konzert/Tanz) 18 Schilling
Symphoniekonzert (bis zu drei Stunden + drei Stunden Probe) 16 Schilling
Theaterdienst für Oper/Operette/Revue (inkl. drei Stunden Probe) 15 Schilling
Grammophonaufnahmen (bis zu drei Stunden) 18 Schilling
Abbildung 3: Ambulante Tarife der Stellenvermittlung des Musikerringes für Wien und
Umgebung 1934
Vergleicht man diese Tarifkategorien mit jenen der Stellenvermittlung von 1906, so
fällt als Erstes die zunehmende Ausdifferenzierung und Vermehrung der Tarifkate-
gorien auf. Wurden 1906 noch insgesamt 30 verschiedene Tarife und Tarifzusätze
festgelegt, waren es 1934 alleine bei den ambulanten Tarifen in der Stadt bereits 52.
Ein beträchtlicher Teil dieser Tarifvermehrung war der Aufnahme auch von Konzer-
ten außerhalb der Kunstmusik, etwa den Auftritten von Klavier- AlleinspielerInnen
und Jazzkapellen, geschuldet. Dies bedeutete allerdings noch keine Aufhebung der
Hierarchie zwischen Kunst- und Unterhaltungsmusik, wie die Unterschiede in den
Tarifen für symphonische und nichtsymphonische Musik zeigen. Eher unerwartet
ist die fast völlige Gleichstellung von Musizieren zur Untermalung anderer Tätig-
keiten (etwa den Theaterdiensten) und autonomer Musik (den Symphoniekon-
zerten). Vergleicht man die Tarife für Wien und Umgebung nach Stunden, dann
gehört das Musizieren auf Vereinsfesten eindeutig zu den am niedrigsten bewerteten
Musiziertätigkeiten. Hier wurden nur geringe Fähigkeiten bzw. Anforderungen des
Musizierens vorausgesetzt. Setzt man die Tariflöhne für Musizieren in Beziehung
zu den Löhnen anderer Branchen zur selben Zeit, so muss berücksichtigt werden,
dass die Tarife für ambulantes Musizieren galten und daher über denen für ständige
Anstellungen lagen. So gesehen waren die Tariflöhne für Nicht- Kunstmusik durchaus
vergleichbar mit jenen ausgebildeter Maurer (etwa 69 Schilling Tarifwochenlohn)
oder ausgebildeter Maler und Anstreicher (etwa 75 Schilling Tarifwochenlohn),241
während jene für Kunstmusik doch ein etwas höheres Einkommen ermöglichten.
Dass viele VertreterInnen der MusikerInnen mit einer derartigen Einstufung in der
Lohnhierarchie nicht einverstanden waren und unter Bezug auf die lange Ausbildung
und den künstlerischen Charakter jeden Musizierens Besserstellungen forderten,
zeigen viele zeitgenössische Behandlungen der Thematik.
Ein neuer Kollektivvertrag wurde vom Musikerring mit dem Verband der Konzert-
lokalbesitzer 1936 für Wien abgeschlossen (siehe Abbildung 4).242 Dieser beanspruchte
241 Bundesamt für Statistik (Hg.), Nachrichten. 12. Jahrgang, 7; Butschek, Arbeitsmarkt, 489;
eigene Berechnungen.
242 Der Österreichische Musiker (1936), Nr. 5 – 6, 82 – 86.
Differenzierungen und Konflikte 1918 – 1938 71
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Über die Produktion von Tönen
Beziehungen von Arbeit und Musizieren, Österreich 1918 – 1938
- Title
- Über die Produktion von Tönen
- Subtitle
- Beziehungen von Arbeit und Musizieren, Österreich 1918 – 1938
- Author
- Georg Schinko
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20802-0
- Size
- 15.5 x 23.5 cm
- Pages
- 310
- Keywords
- Music-making, Musician, Work, Vocation, Art, Austria, Correspondence analysis, Life Writing, Interwar period --- Musizieren, Musiker, Arbeit, Beruf, Kunst, Österreich, Korrespondenzanalyse, Lebensgeschichtliche Erzählung, Zwischenkriegszeit
- Category
- Kunst und Kultur