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Über die Produktion von Tönen - Beziehungen von Arbeit und Musizieren, Österreich 1918 – 1938
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Musizieren anzueignen, dargestellt. In Künstlererzählungen wurde sie als ein höchst individueller Prozess, als die Entfaltung der in der eigenen Person bereits angeleg- ten Fähigkeiten, praktiziert. So charakterisierte Artur Schnabel einen seiner Lehrer folgendermaßen: „Es gelang ihm, alles an Vitalität, Elan und Schönheitssinn, was in einem Schüler angelegt war, freizusetzen, und er duldete keinerlei Abweichung von dem, was er als Authentizität des Ausdrucks erachtete.“ 70 Dieses spezifische Verständnis von Ausbildung kombinierte die auch für traditionelle Künstlererzäh- lungen konstitutiven Merkmale des angeborenen Talents und der Berufung mit der Notwendigkeit von deren professioneller Bearbeitung. Dieses Nebeneinander von Erlernbarkeit und Angeborensein von Fähigkeiten zeigte sich etwa auch bei Lotte Lehmann: „[Gott] gab mir die Stimme, er gab mir meine Kunst  – und durch sie die Fähigkeit, anderen Freude zu schenken“ 71 ebenso wie „Aus jener Zeit schöpfte ich die Erfahrung, daß ein Künstler niemals aufhören darf, zu lernen. Er ist nie fertig mit seinem Studium“.72 Im Vergleich mit traditionellen Künstlererzählungen (auch aus den bildenden Künsten)73 kann daher von einer Verberuflichung des KünstlerIn- Seins im Sinne einer zunehmenden Bedeutung der Ausbildung gesprochen werden. In den Erzählungen der KünstlerInnen zeigte sich diese Form der Ausbildung etwa über die Formulierung eigener Ansprüche an die Ausbildung: Der/die Musizierende verlangte von dem/der Lehrenden das Eingehen auf die eigenen Bedürfnisse und Vorstellungen, eben weil er/sie das Erlernen des Musizierens als individuellen Prozess sah  – was allerdings nicht für jeden/jede gelten konnte, sondern eben nur für die- jenigen, die dazu begabt bzw. berufen waren. Ebenso auf die Individualität des/der Musizierenden verwies die Erwähnung der eigenen Musiziertechnik. Eigenheiten wie ein harter Anschlag am Klavier oder eine spezielle Atemtechnik beim Singen grenzten das eigene Musizieren von den anderen, üblichen Formen des Musizierens ab. Im Gegensatz dazu wurden in den negativen Bezugnahmen auf Kunst weder die eigene Musiziertechnik erwähnt noch eigene Ausbildungsansprüche formuliert. Hier wurde Musizieren auf der Grundlage standardisierter Fertigkeiten ausgeübt: Musizieren wurde gelernt,74 anstatt aus der Persönlichkeit heraus entwickelt zu werden. Dem entsprachen lapidare Formulierungen wie: „[…] uns Vater in unserer ersten Schulzeit das Violinspielen ab dem 10. Lebensjahr beibrachte.“ 75 Es wurde 70 Schnabel, Pianist, 41. 71 Lehmann, Anfang, 27. 72 Lehmann, Anfang, 116. 73 Ruppert, Künstler; Zembylas, Kunst, 107 – 113; Troge, Gesangverein, 287 – 306. 74 Oder  – in der Sprache mancher Kapellmeister von Musikvereinen auf dem Lande: Der Musi- ker wurde abgerichtet. 75 Kohl, Spuren, 2. Open Access © 2019 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO. KG, WIEN KÖLN WEIMAR Musizieren als hohe Kunst118
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Über die Produktion von Tönen Beziehungen von Arbeit und Musizieren, Österreich 1918 – 1938
Title
Über die Produktion von Tönen
Subtitle
Beziehungen von Arbeit und Musizieren, Österreich 1918 – 1938
Author
Georg Schinko
Location
Wien
Date
2019
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20802-0
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
310
Keywords
Music-making, Musician, Work, Vocation, Art, Austria, Correspondence analysis, Life Writing, Interwar period --- Musizieren, Musiker, Arbeit, Beruf, Kunst, Österreich, Korrespondenzanalyse, Lebensgeschichtliche Erzählung, Zwischenkriegszeit
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