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und Reflexion abmindern (sog. Global Dimming). Als gegen
Ende des 20. Jahrhunderts MaĂźnahmen zur Luftreinhaltung
wirksam werden und sich zusätzlich die Treibhausgasemis-
sionen aus Industrie und Verkehr verstärken, tritt die Erde
endgĂĽltig ins anthropogene Treibhauszeitalter ein (sog.
Global Brightening; Wild 2009; Nabat et al. 2014; Manara
et al. 2016; Pfeifroth et al. 2018). Es ist extrem wahrschein-
lich, dass mehr als die Hälfte des beobachteten Anstiegs der
globalen Mitteltemperatur zwischen 1951 und 2010 durch
den anthropogenen Anstieg der Treibhausgaskonzentration
und Folgeeffekte anderer anthropogener Antriebsformen ver-
ursacht wurde (IPCC 2014).
Innerhalb Österreichs zeigen sich die Langzeitveränderun-
gen der Temperatur in großer räumlicher Übereinstimmung.
Nennenswerte Unterschiede in der Temperaturentwicklung
gab es weder regional noch in Abhängigkeit von der Seehöhe:
In den Gipfelregionen hat sich die Atmosphäre seit der vor-
industriellen Zeit ebenfalls um 1,8 °C erwärmt (1989–2018
vs. 1850–1900; Auer et al. 2007; Böhm 2012; Auer et al.
2014; ZAMG 2020b). Die Temperaturentwicklung in höheren
Luftschichten, abgeleitet aus homogenisierten Radiosonden-
messungen, ist in 3000 m Höhe dem Verlauf an hochalpinen
Stationen sehr ähnlich (Haimberger et al. 2012; Auer et al.
2014). Saisonal betrachtet ist die Erwärmung im Tiefland im
Frühjahr und Winter am stärksten (+2,1 °C bzw. +2,3 °C),
gefolgt vom Sommer (+1,8 °C), am schwächsten ist sie im
Herbst (+1,3 °C; Abb. 2.2). Den einzigen signifikanten Un-
terschied in der Erwärmung zwischen tiefen und hohen Lagen
gibt es im Winter (+1,7 °C in den Gipfelregionen vs. +2,3 °C
im Tiefland). Nach einer kurzen AbkĂĽhlungsphase (zwischen
1995 und 2005 im Tiefland bzw. 1989 und 2012 in den Gip-
felregionen) haben die Wintertemperaturen wieder deutlich
zugenommen (Abb. 2.2; Auer et al. 2014; Olefs et al. 2019).
Die hochalpinen Wintertemperaturen einzelner Stationen der
Ostalpen nördlich und entlang des Alpenhauptkamms haben
langfristig gesehen statistisch hochsignifikant zugenommen
(z. B. +1,9 bis +2,4 °C an den Stationen Zugspitze, Sonn-
blick, Säntis, Obergurgl, Patscherkofel, Schmittenhöhe in-
nerhalb der letzten 90 Jahre). Gleichzeitig sind sie auch von
der stärksten Jahr-zu-Jahr-Variabilität aller vier Jahreszeiten
geprägt (s. Abschn. 2.1): die langfristige Erwärmung ist über-
lagert von kurz- bis mittelfristigen natĂĽrlichen Schwankungen
des Klimas (Jahr-zu-Jahr bis zu ca. 20 Jahren; Gobiet et al.
2017). Diese führen dazu, dass die 30-jährigen Unterperio-
den A, B und C in Abb. 2.3 unterschiedlich starke und nicht
signifikante Erwärmungstrends aufweisen und der Zeitraum
1989 bis 2012 sogar durch eine AbkĂĽhlung gekennzeichnet
ist. Saffioti et al. (2016) konnten eindeutig zeigen, dass diese
europäische winterliche Abkühlungsperiode ein Resultat der
natürlichen Klimavariabilität war. Dies bedeutet gleichzeitig,
dass für diese kürzeren Zeiträume und lokale bis regionale
Betrachtungen, in denen natĂĽrliche Klimaschwankungen do-
minieren, zuverlässige Vorhersagen für die Zukunft derzeit noch nicht möglich sind, ganz im Gegensatz zum langfristi-
gen Erwärmungstrend. Diese natürlichen Klimaschwankun-
gen werden wesentlich von Wechselwirkungen zwischen At-
mosphäre und Ozean verursacht. So konnte gezeigt werden,
dass z. B. die sog. nordatlantische Oszillation (NAO) starken
Einfluss auf die Jahr-zu-Jahr- und dekadischen Schwankun-
gen der Wintertemperatur in Europa und auch Ă–sterreich hat
(Hurrell 1995; Schöner et al. 2009).
Als kleinskaligere Phänomene sind sogenannte Temperatur-
inversionen z. B. wichtig fĂĽr die Erzeugung von technischem
Schnee im Herbst und Winter, da sie mit der Bildung boden-
naher Kaltluftseen verbunden sind, welche die Rahmenbedin-
gungen für die Kunstschneeproduktion verändern. Sie sind
geprägt durch eine Umkehr des vertikalen Temperaturgradien-
ten, d. h., die Luft ist in höheren Lagen wärmer als darunter.
Aus täglichen flächigen Beobachtungsdaten konnte abgeleitet
werden, dass solche Inversionen in der Periode 1961 bis 2017,
insbesondere in den Monaten Oktober, Dezember und Januar,
im SĂĽden Ă–sterreichs sowie zentralalpin seltener und weniger
intensiv geworden sind (Hiebl und Schöner 2018).
Der deutliche Temperaturanstieg fĂĽhrte auch zu einer
Veränderung der temperaturabhängigen Extremwerte. So
stieg z. B. die Anzahl von Sommertagen (Tageshöchstwert
≥ 25 °C) und Tropennächten (Tagestiefstwert nicht unter
20 °C) im Zeitraum 1948 bis 2010 signifikant (Nemec et al.
2013). Die Temperaturvariabilität, also die Wechselhaftigkeit
zwischen kalten und warmen Extremen, hat sich hingegen
seit Ende des 19. Jahrhunderts in Ă–sterreich langfristig nicht
signifikant geändert (Hiebl und Hofstätter 2012).
Die Temperaturänderung seit Ende des 19. Jahrhunderts
wurde auch durch die völlig unabhängig gemessene Entwick-
lung des Luftdrucks in unterschiedlichen Höhen bestätigt
(Böhm et al. 1998; Böhm 2012).
Niederschlag
Abgesehen von der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, die
relativ niederschlagsreich ausfiel, und der trockensten Phase
der Messgeschichte in den 1860er-Jahren (Haslinger et al.
2018), gestaltete sich das Niederschlagsklima im Mittel ĂĽber
ganz Österreich auch saisonal ohne ausgeprägte langfristige
Schwankungen (Auer et al. 2007). Allerdings zeigen sich in
einzelnen Regionen Ă–sterreichs unterschiedliche, teilweise
sogar gegenläufige Niederschlagstrends, die vor allem im
Winter zu beobachten sind: In Westösterreich (Vorarlberg,
Nordtirol) nahm der Niederschlag, ĂĽber den gesamten Zeit-
raum seit 1858 betrachtet, um ca. 10–15 % zu, während er
im Südosten Österreichs (Unterkärnten, West- und Oststei-
ermark, SĂĽdburgenland) ĂĽber die letzten 200 Jahre hinweg
abnahm (Böhm 2006).
Sonnenschein
Bei der Entwicklung der Sonnenscheindauer ist seit Ende
des 19. Jahrhunderts eine zweistufige Zunahme zu beobach-
2 Klimawandel – Auswirkungen mit Blick auf den Tourismus 23
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Tourismus und Klimawandel
- Title
- Tourismus und Klimawandel
- Authors
- Ulrike Pröbstl-Haider
- Dagmar Lund-Durlacher
- Marc Olefs
- Franz Prettenthaler
- Publisher
- Springer Spektrum
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-662-61522-5
- Size
- 21.0 x 28.0 cm
- Pages
- 263