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von Lebensmittelabfällen in der Zubereitung beginnt mit
der Planung der Speisekarte. Hier ist darauf zu achten, ob
z. B. Reste, die bei der Zubereitung von bestimmten Ge-
richten anfallen, für andere verwendet werden können (z. B.
Gemüsereste oder Knochen für Suppen). Auch sogenannte
From-nose-to-tail-Konzepte können helfen vor allem tieri-
sche Lebensmittelabfälle zu vermeiden. Dabei wird bewusst
jedes Teil des Tieres („von Kopf bis Schwanz“) verwertet –
teilweise mit Rückgriff auf alte Rezepte. Allerdings ist hier
eine gewisse Kreativität nötig, um z. B. Innereien in einer
für den Kunden entsprechend attraktiven Form zuzubereiten
und anzubieten. Auch die Rezeptur der Gerichte bietet einen
wichtigen Angriffspunkt zur Abfallvermeidung. Je einfacher
die Rezeptur der Gerichte, desto weniger Zubereitungspro-
zesse sind notwendig, wobei auch weniger Abfall entsteht,
weil weniger unterschiedliche Zutaten verwendet werden
müssen.
Abfallaufkommen und -management
Innerhalb der EU-28 werden pro Jahr rund 88 Mio. Tonnen
an Lebensmittelabfall entlang der gesamten Versorgungskette
entsorgt (Stenmarck et al. 2016). Lebensmittelabfall aus der
Gastronomie wurde mit 11 Mio. Tonnen als eine der Haupt-
quellen identifiziert (Stenmarck et al. 2016). Scherhaufer
et al. (2018) analysierten die mit diesen Lebensmittelabfällen
zusammenhängenden Umweltauswirkungen. Die Ergebnisse
zeigen, dass 186 Mt CO2-Äquivalente allein auf Lebensmit-
telabfälle in Europa zugeführt werden können.
Da die Produktion von Lebensmitteln energieintensiv ist,
haben die Vermeidung und das Management von Lebens-
mittelabfällen große Bedeutung. Abfallmanagement bezieht
sich auf alle Maßnahmen, die zur Vermeidung, Wieder- bzw.
Weiterverwendung, Verwertung sowie geordneten Entsor-
gung von Abfällen eingesetzt werden. In der Gastronomie
werden erhebliche Mengen von Abfällen erzeugt. In Deutsch-
land rechnet etwa die DEHOGA (2016) in Gaststätten mit
einem Volumen von 1,7 l pro Gedeck. Deutlich höher sind
die Abfallvolumen in Hotelbetrieben mit Gastronomie: In
Betrieben mit 0 bis 2 Sternen geht die DEHOGA (2016) von
9,1 l Abfall pro Übernachtung aus. Als Grund für die hohen
Abfallmengen sieht die DEHOGA (2016) unter anderem die
Verwendung vieler Einwegverpackungen, etwa beim Früh-
stück.
Grundsätzlich lässt sich zwischen vermeidbaren und
unvermeidbaren Lebensmittelabfällen unterscheiden. Ver-
meidbare Abfälle sind solche, die zum Zeitpunkt des Weg-
werfens noch für den menschlichen Konsum geeignet wa-
ren. Unvermeidbare Abfälle sind Lebensmittelbestandteile,
die üblicherweise nicht gegessen werden (z. B. Knochen
oder Schalen). Die Schweizer Organisation Confédération
Suisse (2014) geht zum Beispiel davon aus, dass 70 % aller
Lebensmittelabfälle in Schweizer Restaurants vermeidbar
sind. Eine detaillierte Studie der gesamten Versorgungskette zweier Schweizer Betriebe stellte fest, dass 7,7–10,7 % der
eingekauften Lebensmittel weggeworfen wurden, vor allem
weil die servierten Portionen nicht aufgegessen wurden (Betz
et al. 2015). Zwischen 78–92 % der Abfälle waren damit ver-
meidbar. Dies hat auch ökonomische Implikationen, da der
Wert der weggeworfenen Lebensmittel (10,5 t bzw. 16,5 t pro
Jahr und Restaurant) von Betz et al. (2015) pro Betrieb auf
rund 85.000 CHF beziffert wurde.
In Österreich betragen laut einer Studie aus den Jahren
2015 bis 2019 (Hrad et al. 2016; Obersteiner et al. 2019)
die vermeidbaren Speiseabfälle (ohne Zubereitungsreste)
in der Außer-Haus-Verpflegung 3 % (Restaurant) bis 60 %
(Eventcatering) des ausgegebenen Essens, wobei je nach
Betriebstyp durchschnittlich 14–22 % der Lebensmittel un-
genützt entsorgt werden. Cateringunternehmen und Groß-
küchen im Gesundheitswesen zeigten aufgrund strengerer
Hygienevorschriften mit 34 % bzw. 28 % signifikant höhere
Verlustraten als Hotels (20 %) und reine Gastronomiebetriebe
(14 %). Hochrechnungen ergaben, dass in Österreich jährlich
rund 45.000 Tonnen vermeidbare Lebensmittelabfälle in der
Gastronomie, 50.000 Tonnen in der Beherbergung, 61.000
Tonnen in der Gemeinschaftsverpflegung sowie 19.000 Ton-
nen in sonstigen Betrieben, wie z. B. Kaffeehäusern, anfallen
(Unsicherheitsgrad von plus/minus 10 %). Unter Berücksich-
tigung von durchschnittlichen Einkaufspreisen landen damit
in der heimischen Außer-Haus-Verpflegung pro Jahr Lebens-
mittel im Warenwert von rund 320 Mio. € in der Mülltonne
– das sind 8000 € pro Betrieb. Jährlich werden demnach rund
400.000 Tonnen CO2 durch die Produktion von ungenützten
Lebensmitteln und deren anschließende Entsorgung als Ab-
fall in der österreichischen Außer-Haus-Verpflegung ver-
ursacht (United Against Waste 2016).
5.4 Anpassungs-, Minderungsmaßnahmen
und Strategien
5.4.1 Handlungsfeld Einkauf
Köche haben große Spielräume, um die Emissionsintensität
des kulinarischen Angebots zu beeinflussen. Dies liegt an den
sehr unterschiedlichen Emissionsintensitäten der Rohstoffe,
die verwendet werden. Abb. 5.2 zeigt dies für die besonders
wichtige Kategorie Fleisch. Die hier genannten Studien zei-
gen sehr deutlich, dass pro kg Huhn oder Schweinefleisch nur
ein Bruchteil der Emissionen entsteht, die die Produktion von
Rindfleisch verursacht (Poore und Nemecek 2018). Eine im
Jahr 2012 veröffentlichte Studie zur Klimabilanz von Lebens-
mitteln zeigt auf, dass ein kg aus Brasilien importiertes Rind-
fleisch 335 kg CO2-Äquivalente erzeugt, während Rindfleisch
aus den Niederlanden nur auf 16 kg CO2-Äquivalente kommt
(Schmidinger und Stehfest 2012). Grund für diesen großen
Unterschied ist die Einbeziehung des Flächenverbrauchs
5 Gastronomie und Kulinarik 97
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Tourismus und Klimawandel
- Title
- Tourismus und Klimawandel
- Authors
- Ulrike Pröbstl-Haider
- Dagmar Lund-Durlacher
- Marc Olefs
- Franz Prettenthaler
- Publisher
- Springer Spektrum
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-662-61522-5
- Size
- 21.0 x 28.0 cm
- Pages
- 263