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Für maßgeschneiderte Anpassungsstrategien ist es erfor-
derlich zu erkennen, ob und inwieweit die jeweiligen Aktivi-
täten für die verschiedenen Zielgruppen bei der Destinations-
wahl entscheidungsrelevant sind. Ziel einer entsprechenden
Forschung ist es, Erkenntnisse dahin gehend zu erhalten,
welche Bedeutung die verschiedenen Bausteine eines Urlaubs
(Region, Hotel, Aktivitäten, Küche usw.) haben. Differen-
zierte wissenschaftliche Kenntnisse sind auch erforderlich,
um die Relevanz der Aktivitäten für die Destinationswahl und
evtl. auch mögliche Wechsel ausloten zu können. Weiterhin
sollte es auch das Ziel sein, herauszuarbeiten, ob und inwie-
weit Sommeraktivitäten Nebenprodukte darstellen oder aber
der Schlüssel zum Urlaub in Österreich sind. Dies ist wichtig,
um zu erkennen, wo und wann die Gefahr eines Destinations-
wechsels gegeben ist.
Zur Erforschung des touristischen Potenzials empfiehlt sich
der Bereich des Radtourismus. Im Mittelpunkt sollte hier die
nachhaltige Entwicklung stehen. Ein wesentlicher Ansatz-
punkt könnte in diesem Zusammenhang die Tatsache sein,
dass derzeit rund 80 % der Radtouristinnen und -touristen
ihren Urlaub selbst zusammenstellen. Zu überprüfen wäre, ob
und inwieweit die bestehenden Anteile an Radtouristinnen und
-touristen und deren Beitrag zur Wertschöpfung zu steigern
wären, wenn Packages vermehrt entwickelt und angeboten
würden. Dies könnte auch dann der Fall sein, wenn Packages
auf verschiedene Zielgruppen (bzw. Bikes, wie E-Mountainbi-
kes, Trekkingbikes usw.) zugeschnitten wären. Weiterhin wäre
interessant, ob eine Erweiterung des Angebots in Frühjahr und
Herbst erzielbar ist und unter welchen Voraussetzungen.
Im Bereich des Golftourismus besteht Forschungsbedarf
im Hinblick auf geeignete Anpassungsstrategien, um rasche
und nachhaltige Anpassungen zu erreichen und Reboundef-
fekte, zum Beispiel aufgrund einer verstärkten Bewässerung,
zu vermeiden.
Wenn Risiken und Gefahren vermieden werden sollen,
dann ist Forschung auch im Bereich der Indikatoren und
Frühwarnsysteme erforderlich, beispielsweise um Überlas-
tungen und nicht angemessene Aktivitäten bei Hitze und/oder
Luftbelastungen zu vermeiden. Im Hinblick auf die mensch-
liche Gesundheit und Well-being könnte hier der UTCI (Uni-
versal Thermal Climate Index) einen Mehrwert darstellen,
der Überanstrengungen vorbeugt und als besonderer Service
empfunden werden könnte. Auch Aussagen bezogen auf die
individuelle Belastbarkeit, zum Beispiel in Verbindung mit
Alter, Fitness, Geschlecht, Akklimatisierung, sind möglich.
Forschungsarbeiten mit spezieller Ausrichtung auf das ös-
terreichische Angebot sind hierzu erforderlich (Piskuta et al.
2012; Brocherie et al. 2015).
Im Zusammenhang mit dem stark wachsenden Segment
des Bergtourismus zeigte sich, dass quantitative Forschungs-
arbeiten zu den Folgen von klimawandelbedingten Land-
schaftsveränderungen (z. B. bei Verlust eines Gletschers) und
eine Untersuchung etwaiger negativer Konsequenzen dieser Veränderungen auf das Buchungsverhalten oder die Zufrie-
denheit der Gäste fehlen. Bislang wurde dieser Zusammen-
hang in der Literatur nur als mögliche Folge genannt.
Wenn Gesundheitsschäden vorgebeugt werden soll, ist die
bestehende Forschung zur Ausbreitung von Ambrosia vor ei-
nem touristischen Hintergrund zu ergänzen und entsprechend
zu erweitern. Forschung zu Allergenen sollte die Angebote
in Luftkurorten ergänzen, das Potenzial für den Gesund-
heitstourismus erhalten und die Betriebe in diesem Bereich
unterstützen. Wenn eine Zunahme von Risiken und Unfällen
vermieden werden soll, dann werden auch im Bereich des
Flugsports detaillierte Forschungsarbeiten gebraucht, die
gemeinsam mit den Betrieben im Flugsport das komplexe
System von Thermik und Talwinden im Zusammenhang
mit Wetterlagen untersuchen und für Schulungsmaterialien
(Flugschulen) aufbereiten.
7.5.4 Systemdynamiken/Zusammenhänge/
Reboundeffekte aus anderen Bereichen
Der Tourismus unterscheidet sich von vielen anderen vom
Klimawandel betroffenen Sektoren insofern, als dass die Wahl
eines Reiseziels eine individuelle und freiwillige Handlung
ist. Anpassungsstrategien, Risikowahrnehmung und -ein-
schätzung unterscheiden sich daher grundlegend von anderen
Bereichen, wie etwa der Landnutzung (Pröbstl-Haider und
Haider 2013). Das Verständnis des Konsumentenverhaltens
und der Verhaltensänderung ist daher sehr wichtig.
Die Anpassung kann hier „mit den Füßen“9 erfolgen, wenn
andere Destinationen, andere Länder, andere Reisemittel und
Aktivitäten ausgewählt werden. Die Schwelle, bestimmte
Verhältnisse (noch) zu tolerieren, wie etwa ein Golfresort mit
erheblichen Hitzeschäden an Abschlagsplätzen und Putting
Greens, liegt damit deutlich geringer, denn die internationale
Auswahl an attraktiven Golfresorts ist groß, um in diesem
Beispiel zu bleiben. Die Qualität, mit der die beabsichtigten
Aktivitäten, wie Skifahren, Golfspielen, Baden usw., aus-
geübt werden können, ist vielfach für die Destinationswahl
entscheidend und hat sich in den letzten 10 Jahren deutlich
gewandelt. Hat der Gast eine Bindung zu einer Region, dann
werden auch die Anpassungsstrategien einer Destination stär-
ker wahrgenommen und in die Entscheidungen miteinbezo-
gen und es wird vor Ort bewertet, ob die vorgenommenen
Anpassungsmaßnahmen wirksam sind und eine Erhaltung
oder Steigerung der Attraktivität erreicht wurde.
Im Zusammenhang mit Tourismus und Erholung ist die
finanzielle, ökologische und soziokulturelle Anpassungsfä-
higkeit von Einzelpersonen ebenfalls von großer Bedeutung.
Führen beispielsweise technische Anpassungsmaßnahmen,
9 Die Abstimmung „mit den Füßen“ meint die Reise zu alternativen
Destinationen.
7 Outdooraktivitäten und damit zusammenhängende Einrichtungen im Sommer und in den Übergangszeiten 147
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Tourismus und Klimawandel
- Title
- Tourismus und Klimawandel
- Authors
- Ulrike Pröbstl-Haider
- Dagmar Lund-Durlacher
- Marc Olefs
- Franz Prettenthaler
- Publisher
- Springer Spektrum
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-662-61522-5
- Size
- 21.0 x 28.0 cm
- Pages
- 263