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muss jedoch darauf hingewiesen werden, dass der Sommer-
tourismus mögliche Verluste aus dem Winter nicht kompen-
sieren kann (MĂĽller und Weber 2008; Falk 2014, 2015; hohe
Ăśbereinstimmung, mittlere Beweislage). MĂĽller und Weber
(2008) erwarten fĂĽr die Schweiz beispielsweise, dass nur
etwa die Hälfte der Verluste durch Steigerungen im Sommer
aufgefangen werden können.
Eine wesentliche Herausforderung fĂĽr die verhaltens-
bezogene Forschung im Tourismus, im Vergleich zu anderen
vom Klimawandel betroffenen Sektoren, besteht darin, dass
die Kunden flexibel reagieren und Anpassungsprozesse auch
durch Abwanderungen erfolgen. Aufgrund der unabhängigen
Wahlentscheidungen zumeist auĂźerhalb Ă–sterreichs ĂĽber die
Teilnahme am Tourismus sind methodische Fragen von hoher
Relevanz. Daher sind Trends vorausschauend zu beachten.
Die Ergebnisse dieser Zusammenstellung zeigen weiter-
hin, dass unterschiedliche Gästesegmente, zum Beispiel mit
verschiedenen Motiven und Kernaktivitäten, unterschied-
lich reagieren (hohe Ăśbereinstimmung, starke Beweislage).
Dies gilt nicht nur fĂĽr positive Entwicklungen (z. B. mehr
Tage mit Sonnenschein), sondern auch im Hinblick auf
kompensatorische Bedingungen. Während ältere Touristin-
nen und Touristen am Neusiedler See angeben, dass wasser-
bezogene Aktivitäten auch durch kulturlandschaftstouristi-
sche Angebote und Wein kompensiert werden können, trifft
das für segelnde Gäste nicht zu (Pröbstl et al. 2007). Dies
zeigte sich auch bei anderen Studien, dass die bevorzugte
Ausrichtung des Urlaubs die Reaktion beeinflusst. Zusätz-
liche Sonnentage waren fĂĽr ein entspannungsorientiertes
Segment relevant (Pröbstl-Haider et al. 2014). Naturori-
entierte und aktivitätsorientierte Segmente erweisen sich
in dieser Studie jedoch als deutlich anspruchsvoller. Hier
mĂĽssen bezogen auf den Urlaub in den Alpen beim natur-
orientierten Segment auch der Siedlungscharakter, eine
natĂĽrliche Umgebung und gute Wanderbedingungen an-
geboten werden. Während die aktivitätsorientierte Gruppe
von lebhaften Gemeinschaften, Outdoorsportmöglichkeiten
und anderen Programmen angezogen wird (hohe Ăśberein-
stimmung, mittlere Beweislage).
Die Zusammenstellung zeigt auch, dass die Attraktivi-
tät bestimmter Regionen oder spezifischer Aktivitäten für
Touristinnen und Touristen komplex ist und nicht nur von
einem einzigen Faktor abhängt, wie beispielsweise von der
Temperatur oder der Anzahl von Tagen mit Sonnenschein.
Es handelt sich vielmehr um ein Zusammenspiel verschie-
dener Faktoren, bei denen auch die Präferenz für naturnahe
Bedingungen, bestimmte Aktivitäten oder Ereignisse eine
entscheidende Rolle spielt (hohe Ăśbereinstimmung, mitt-
lere Beweislage). Insbesondere die Präferenz für naturnahe,
gesunde oder gesundheitsfördernde Rahmenbedingungen er-
fordert eine stärkere Verschränkung eines touristischen und
naturwissenschaftlichen Monitorings, um die erwĂĽnschten
Rahmenbedingungen bestmöglich zu erhalten. Hier ist auch eine stärkere sektorenübergreifende Zusammenarbeit erfor-
derlich. Auch ist hier auf die fĂĽr den Tourismus erforderliche
Art und Aufbereitung der Daten mehr als bisher einzugehen.
Offensichtlich haben die Unterschiede in den Segmenten
in Kombination mit den gewĂĽnschten Erlebnissen und Ak-
tivitäten einen signifikanten Einfluss auf das zukünftige Ver-
halten unter den Bedingungen des Klimawandels. Die Aus-
wirkungen des Klimawandels auf die Wahl des Reiseziels im
Sommertourismus scheinen komplexer zu sein, als die ersten
Studien in diesem Bereich nahelegen.
Kernaussagen – Kapitel 7
– Im Bereich der urlaubsrelevanten Aktivitäten im
Sommer zeigt sich, dass sich durch klimainduzierte
Phänomene eine starke Betroffenheit für Klettern und
Hochtouren, Fischen, Golf, Wasser- und Flugsportar-
ten ergibt. Diese können zu einem Destinations- oder
Aktivitätswechsel führen (hohe Übereinstimmung,
schwache Beweislage).
– Die Möglichkeiten, im Bereich der Aktivitäten Treib-
hausgasemissionen zu reduzieren, sind sehr einge-
schränkt und beschränken sich im Wesentlichen auf die
alternative Energiegewinnung im Zusammenhang mit
Betriebsgebäuden (z. B. Fotovoltaik oder thermische
Solaranlagen an BerghĂĽtten, Hangars, Golfanlagen
u. Ă„.; hohe Ăśbereinstimmung, schwache Beweislage).
– Anpassungsmöglichkeiten sind in vielen Bereichen
grundsätzlich möglich, zum Beispiel durch vermehr-
te Bewässerung auf Golfplätzen, Bau von Pools bei
Problemen der Nutzung natürlicher Gewässer sowie
Wegeneubau und SchutzmaĂźnahmen im Gebirge.
Diese sind jedoch kostenintensiv und beeinflussen
teilweise das Urlaubserlebnis (hohe Ăśbereinstim-
mung, mittlere Beweislage).
– Ein mediales Frühwarnsystem (bezogen auf Hitze,
Gewitter und Starkregen) wäre wichtig, um An-
passungsmaßnahmen der Betriebe und Gäste zu
ermöglichen (hohe Übereinstimmung, mittlere
Beweislage).
– Im Gegensatz zu den Aktivtäten im Winter bestehen
bei den Sommeraktivitäten in vielen Bereichen erheb-
liche Forschungsdefizite (hohe Ăśbereinstimmung,
mittlere Beweislage).
– Ökonomische Verluste durch Schneemangel im Win-
ter können durch den Sommerurlaub mit anderen Ak-
tivitäten in der derzeitigen Form nicht ausgeglichen
werden (hohe Ăśbereinstimmung, starke Beweislage).
– Der Klimawandel wird durch die höheren Tem-
peraturen in den Ăśbergangsjahreszeiten zu positiven
Effekten fĂĽr Wandern, Radfahren, Baden, Wassersport
und Golf und einer Saisonverlängerung beitragen
(hohe Ăśbereinstimmung, mittlere Beweislage).
7 Outdooraktivitäten und damit zusammenhängende Einrichtungen im Sommer und in den Übergangszeiten 149
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Tourismus und Klimawandel
- Title
- Tourismus und Klimawandel
- Authors
- Ulrike Pröbstl-Haider
- Dagmar Lund-Durlacher
- Marc Olefs
- Franz Prettenthaler
- Publisher
- Springer Spektrum
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-662-61522-5
- Size
- 21.0 x 28.0 cm
- Pages
- 263