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Tragsessel in europäischen Herrschaftszentren - Vom Spätmittelalter bis Anfang des 18. Jahrhunderts
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30 Claudia Märtl das florentinische Vorurteil einer besonderen Überheblichkeit der Sienesen bestätigt, der Papst wiederum fühlte sich in Florenz schäbig behandelt. Die Gestaltung des Adventuszeremoniells integrierte seit jeher Elemente der Herr- scherepiphanie und des Triumphs. In den Vorverhandlungen mit den Florentinern hatte Pius II. wohl ganz bewusst das Argument seiner schlechten Gesundheit in den Vorder- grund gestellt, um diese Aspekte herunterzuspielen und die Verwendung des Tragethrons plausibel und akzeptabel zu machen. Nach seinem Einzug in Mantua auf der inzwischen schon gewohnten sedia gestatoria sind für die Dauer des Kongresses und bei der Rückreise hin und wieder Reparaturen an dem Möbelstück belegt.57 In den verbleibenden vier Jah- ren seines Pontifikats benutzte der Papst immer wieder den Tragethron, den er nach dem Zeugnis seiner Commentarii jetzt aber zunehmend als eine Insignie päpstlichen Triumphs verstand. Die Deutung, die er diesem Transportmittel gab, richtete sich nach dem Anlass des Einsatzes und den beteiligten Personen. Aufgrund seiner gesundheitlichen Probleme ließ sich Pius II. bei vielen Gelegenheiten tragen, doch triumphal gestaltete sich für ihn der Auftritt mit dem Tragethron vor allem bei Zeremonien, die großes Publikum anzogen: bei der Rückkehr nach Rom, der Fronleichnamsprozession, dem Empfang des Haupts des heiligen Andreas.58 Pius II. münzte damit seine eigene Schwäche in eine repräsentative Stärke des Papsttums um. Die Entdeckung des Tragethrons als Mittel der Repräsentation fügt sich in eine Welle zeitgenössischen Interesses an antiken Triumphbräuchen ein. Bereits 1443 war zum ersten Mal nach der Antike ein Triumphzug realisiert worden, mit dem Alfons V. seinen Einzug in Neapel feierte.59 Der gegebene Ort für Triumphzüge war jedoch Rom, wo, wie Flavio 57 ASR, Camerale I, 1348 fol. 12v: „per aconciare una sedia per portare la santità de nostro signore“ (31. August 1459); fol. 99r: „per fare IIII bastoni a una sedia di nostro signore“ (31. Januar 1460, es handelt sich offenbar um die Tragstangen). Dasselbe Rechnungsbuch verzeichnet mehrmals den Ankauf von Nägeln und Eisenbeschlägen für die sedie des Papstes. 58 Zu den Transportmitteln Pius’ II. vgl. Claudia Märtl, Alltag an der Kurie: Papst Pius II. (1458– 1464) im Spiegel zeitgenössischer Berichte. In: Zweder von Martels/Arjo Vanderjagt (Hg.), „Pius II‚ el più expeditivo pontifice“. Selected Studies on Aeneas Silvius Piccolomini (1405–1464) (Leiden/Boston 2003), S. 107–145, hier S. 139 f.; zu seinen triumphalen Selbstinszenierungen zu- sammenfassend dies., Pius II. (1458–1464), Offensive und defensive Strategien seiner Selbstdarstel- lung als Papst. In: Michael Matheus/Lutz Klinkhammer (Hg.), Eigenbild im Konflikt. Krisen- situationen des Papsttums zwischen Gregor VII. und Benedikt XV. (Darmstadt 2009), S. 63–87, hier S. 73–76. 59 Zu dem viel beachteten Präzedenzfall eines nachantiken Herrschertriumphs vgl. zuletzt ausführ- lich Philine Helas, Der Triumph von Alfonso d’Aragona 1443 in Neapel. Zu den Darstellun- gen herrscherlicher Einzüge zwischen Mittelalter und Renaissance. In: Peter Johanek/Angelika Lampen (Hg.), Adventus. Studien zum herrscherlichen Einzug in die Stadt (Köln/Weimar/Wien 2009), S. 133–228; zum Triumph in der Neuzeit zusammenfassend Yvonne Rickert, Triumph. Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Tragsessel in europäischen Herrschaftszentren Vom Spätmittelalter bis Anfang des 18. Jahrhunderts
Title
Tragsessel in europäischen Herrschaftszentren
Subtitle
Vom Spätmittelalter bis Anfang des 18. Jahrhunderts
Author
Mario Döberl
Editor
Alejandro López Álvarez
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2020
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20966-9
Size
17.5 x 24.7 cm
Pages
432
Categories
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