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Tragsessel in europäischen Herrschaftszentren - Vom Spätmittelalter bis Anfang des 18. Jahrhunderts
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34 Claudia Märtl die Päpste sich auch außerhalb ihres Antrittszeremoniells oft tragen ließen, begannen die Zeremonienmeister begrifflich zwischen dem auf einer Plattform montierten Tragethron und anderen Sitzen, auf denen der Papst getragen wurde, zu differenzieren. Den höchsten Ansprüchen an päpstliche Rangdemonstration genügte allein die sedia (gestatoria) maior, der Tragethron auf der Plattform, während die Verwendung der sedia minor oder parva, bei welcher der Sitz selbst mit Tragstangen versehen war, schon fast als Äußerung der Demut verstanden wurde.67 8 Frühneuzeitliche Darstellungen der sedia gestatoria Dass die sedia gestatoria um die Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert im päpstlichen Zere- moniell allgegenwärtig geworden war, erhellt nicht zuletzt aus ihrer Darstellung in Werken der bildenden Kunst, die in kurialem Auftrag entstanden. Die Maler zeigen sich dabei mit der Unterscheidung zwischen sedia maior und sedia minor wohlvertraut. Die anscheinend älteste erhaltene Darstellung einer sedia maior findet sich innerhalb des biographischen Zyklus zum Leben Sixtus’ IV. (1471–1484), der noch zu Lebzeiten dieses Papstes in Santo Spirito in Sassia ausgeführt wurde, und zeigt den Papst während der Feierlichkeiten seines Antritts mit Segensgestus auf dem Tragethron.68 Kurz nach der Wende zum 16. Jahrhundert ließ Kardinal Francesco Todeschini Piccolomini in der Libreria Piccolomini am Dom zu Siena das Leben seines Oheims Pius II. von Pinturicchio darstellen. Auf zwei Fresken er- scheint der Papst auf der sedia gestatoria, zum einen im Rahmen seiner Krönungsfeierlich- keiten bei der Wergverbrennung in Sankt Peter (Abb. 2), zum anderen bei den Vorbereitun- gen zum Kreuzzug in Ancona (Abb. 3). Die Wiedergabe des Tragethrons – in beiden Fällen eine sedia maior – ist in Bezug auf die Lebensgeschichte Pius’ II. eine Frucht künstlerischer Freiheit. Im Rahmen seiner Krönung hatte dieser den Tragethron noch nicht benutzt, der erst unter seinen Nachfolgern eine Rolle bei der Amtseinführung der Päpste spielte, und bei der Ankunft in Ancona war der Papst zu schwach gewesen, um sich der Öffentlichkeit zu zeigen; er wurde vielmehr in den Bischofspalast gebracht, wo er am 14./15. August 1464 starb. Die von Pinturicchio dargestellte Szene in Ancona verbildlicht eine ideale Vision des Wirkens Pius’ II. für den Kreuzzug. Der Papst tritt hier nicht segnend, sondern eine 67 Vgl. Märtl 2000 (wie Anm. 35), S. 164 sowie die Stichwörter lectica und sedes mit der Differenzie- rung cooperta, gestatoria, ordinaria, privata, parva im Diarium des Alaleone, Wassilowsky/Wolf 2007 (wie Anm. 42), S. 395 und 405. 68 Vgl. Eunice D. Howe, Art and Culture at the Sistine Court. Platina’s „Life of Sixtus IV“ and the Frescoes of the Hospital of Santo Spirito (Studi e Testi 422, Città del Vaticano 2005), Abb. 30, S. 231. Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Tragsessel in europäischen Herrschaftszentren Vom Spätmittelalter bis Anfang des 18. Jahrhunderts
Title
Tragsessel in europäischen Herrschaftszentren
Subtitle
Vom Spätmittelalter bis Anfang des 18. Jahrhunderts
Author
Mario Döberl
Editor
Alejandro López Álvarez
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2020
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20966-9
Size
17.5 x 24.7 cm
Pages
432
Categories
Geschichte Vor 1918
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