Page - 51 - in Tragsessel in europäischen Herrschaftszentren - Vom Spätmittelalter bis Anfang des 18. Jahrhunderts
Image of the Page - 51 -
Text of the Page - 51 -
Tragsessel und Sänften in Genua vom 16 bis Anfang des 18 Jahrhunderts 51
Tursi und die Kapitänsgaleere, auf der sich der Bräutigam befand, dem Schiff der Braut bis
nach Livorno entgegengefahren waren, landete sie am 7. November 1671 in Ponte Reale.
Die unüberschaubare Menge der Menschen, die sich dieses Ereignis nicht entgehen lassen
wollten, konnte von den Lakaien nur unter größten Anstrengungen unter Kontrolle ge-
halten werden. Der Braut, deren prachtvolle Kleidung mit Gold und Spitze geziert war,
gelang es nur mit Mühe, die „bussola“ – womit der Tragsessel bezeichnet wurde – zu errei-
chen, in der sie nach ihrer Landung bis zur Piazza Banchi gebracht wurde, wo sie schließ-
lich in eine Karosse umstieg. Begleitet von feiernden Menschenmassen und gefolgt von
zahlreichen Kutschen und Sänften gelangte sie auf diese Weise zur Residenz der Doria.
Zum prachtvollen Gefolge zählten der Bräutigam zu Pferd, eine größere Gruppe Kava-
liere, zwei Lakaien, die die Wagenschläge flankierten, zwei Lakaien, die vor den Zugpfer-
den schritten, vier, die auf Radhöhe den Wagen begleiteten, und sechs weitere, die dem
Wagen folgten.
Besonderes Augenmerk schenkte unser Chronist der kostbaren Ausstattung und dem
allegorischen Figurenschmuck des Tragsessels:
E’ questa coperta di velluto cremisino con le aquile dell’Ecc.ma Casa in mezzo a due figure
di fiumi intagliate ed altri ornamenti tutti dorati, stanno nel cielo ai lati quattro putti con
vasi di fiori, e di dietro una figura grande sul mondo che è la figura della pace; è fasciata al
di dentro di tela d’argento con ricamo rilevato d’oro molto vago e ricco e stimato assai, che
è lavoro del Valente con bandinelle, e portello adorni di alamari d’oro rilevati […].
Erwähnung fand auch, dass der Tragsessel von zwei Sklaven transportiert wurde, deren aus
karmesinrotem Damast gefertigte Wämser dem Farbton des Vehikels angepasst waren.6
Merli fügte der Transkription des oben erwähnten Dokuments die lithographische
Übertragung einer Entwurfszeichnung (Abb. 1)7 bei, die er Filippo Parodi (1630–1702) zu-
schreibt, einem, wie er anmerkt, hervorragenden Schnitzer und Bildhauer, der für die Do-
ria auch zahlreiche andere Arbeiten ausführte.8 Im „Compendio“ ist Parodi nur als Schöpfer
6 ADP, 79.55.9, Breve relazione […]. Merli bezeichnete Marc’Antonio Valente als „eccellentissimo
ricamatore, socio ed allievo di un tal Rubato, servi lunga pezza la casa Doria“. Merli 1871 (wie Anm.
4), S. 16, 26 (Anm. 7). Tatsächlich sind beispielsweise für das Jahr 1639 Arbeiten Valentes an einem
Bett und einem Baldachin dokumentiert. Stagno 2011 (wie Anm. 2), S. 63.
7 Merli 1871 (wie Anm. 4), S. 27, Anm. 8. Die Zeichnung, auf die er Bezug nimmt, befindet sich
im Besitz des „Gabinetto Disegni e Stampe di Palazzo Rosso“ (Genua), Inv.-Nr. D3391, Bleistift,
Feder und Tinte auf Papier, 408 x 208 mm.
8 Laura Stagno ist der Ansicht, dass die übrigen Arbeiten Parodis für das Haus Doria eine Folge die-
ses ersten Auftrages gewesen seien und deshalb zu einem späteren Zeitpunkt erfolgt sein müssen.
Laura Stagno, L’attività di Filippo e Domenico Parodi per i Doria principi di Melfi. In: Rivista
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
back to the
book Tragsessel in europäischen Herrschaftszentren - Vom Spätmittelalter bis Anfang des 18. Jahrhunderts"
Tragsessel in europäischen Herrschaftszentren
Vom Spätmittelalter bis Anfang des 18. Jahrhunderts
- Title
- Tragsessel in europäischen Herrschaftszentren
- Subtitle
- Vom Spätmittelalter bis Anfang des 18. Jahrhunderts
- Author
- Mario Döberl
- Editor
- Alejandro López Álvarez
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20966-9
- Size
- 17.5 x 24.7 cm
- Pages
- 432
- Categories
- Geschichte Vor 1918