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Tragsessel und Sänften in Genua vom 16 bis Anfang des 18 Jahrhunderts 67
6 Einsatzgebiete
Zwar existieren zahlreiche Schriftquellen, die im Besitz von Genuesen befindliche Trag-
sessel und Sänften erwähnen, weit seltener sind jedoch Passagen in Chroniken überlie-
fert, die uns eine Vorstellung davon geben, auf welche Art und zu welchen Anlässen diese
Transportmittel im Alltagsleben oder bei feierlichen Ereignissen eingesetzt wurden. Ein
Beispiel für die Verwendung einer Sänfte in zeremoniellem Rahmen datiert von 1578, als
Giovanni Andrea Doria eine solche nach Voltaggio entsandte, um darin den Herzog von
Braunschweig zum Familiensitz der Doria in Fassolo bringen zu lassen.55 Auch Margarete
von Österreich, die Braut des spanischen Königs Philipp III., wurde während ihres Auf-
enthalts in Genua am 11. Februar 1599 in einer Sänfte von Sampierdarena nach Fassolo
transportiert.56
Eher familiären Charakter hatte hingegen die Verwendung eines Tragsessels, der bei
der Hochzeit von Giovanni Cesare Pallavicino im Jahr 1583 zum Einsatz kam. Pallavicino
ließ seine Braut in Begleitung zahlreicher Adeliger in einer „carega“ zum Ort der Ehe-
schließung bringen.57 In einer Sänfte ließ sich wiederum Lorenzo Sauli am 13. Juni 1600
zum Hochzeitsbankett seines Schwagers Paolo Doria befördern.58 Ein Beispiel für die Ver-
wendung eines Tragsessels auf einer verhältnismäßig langen Strecke bietet die Reise der
Zenobia Doria von Massa nach Genua im Jahr 1590. Die Dame wurde dabei von sechs
Sesselträgern („camalli“) getragen, die für ihren elf Tage dauernden Einsatz einen Lohn in
der Höhe von 75,40 Lire erhielten.59
Dass Tragsessel auch abseits festlicher Ereignisse Verwendung fanden, zeigt sich unter
anderem daran, dass in Hinblick auf Tragsessel immer wieder zum Maßhalten im alltäg-
lichen Gebrauch aufgerufen wurde. Die von den Behörden der Republik ausgesprochenen
Appelle richteten sich zuweilen an konkrete Personen, etwa an Mitglieder der Familie Do-
ria, die angehalten wurden, davon Abstand zu nehmen, ihrer „bussola“ Reitknechte voran-
55 Merli 1871 (wie Anm. 4), S. 24.
56 Laura Stagno, Sovrani spagnoli a Genova: apparati trionfali e „hospitaggi“ alla corte dei Doria. In:
Piero Boccardo/José Luis Colomer/Clario Di Fabio (Hg.), Genova e la Spagna. Opere, artisti,
committenti, collezionisti (Genova/Cinisello Balsamo [MI] 2002), S. 73–87, hier S. 83; Giulio
Sommariva, „Coronationi“ e solenni esequie, visite e „segni di allegrezza“: il potere in scena alla
corte dei dogi. In: El siglo de los genoveses (Ausstellungskatalog, Milano 1999), S. 130–137.
57 Edoardo Grendi (Hg.), Inventione di Giulio Pallavicino di scriver tutte le cose accadute alli tempi
suoi (1583–1589) (Genova 1975), S. 2: „Gio Cesare Pallavicino invitò la sua sposa e fecegli un banchetto
con 58 persone molto sontuoso e vi si ballò tutto il giorno“.
58 Marzia Cataldi Gallo, Rosso, oro e nero: colori e simboli di potere nella Repubblica di Genova.
In: El siglo de los genoveses (Ausstellungskatalog Genua, Milano 1999), S. 78–87.
59 Merli 1871 (wie Anm. 4), S. 24, Anm. 6.
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Tragsessel in europäischen Herrschaftszentren
Vom Spätmittelalter bis Anfang des 18. Jahrhunderts
- Title
- Tragsessel in europäischen Herrschaftszentren
- Subtitle
- Vom Spätmittelalter bis Anfang des 18. Jahrhunderts
- Author
- Mario Döberl
- Editor
- Alejandro López Álvarez
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20966-9
- Size
- 17.5 x 24.7 cm
- Pages
- 432
- Categories
- Geschichte Vor 1918