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78 Alejandro López Álvarez
kamen weitere hinzu. Auf der letzten Reise des Monarchen, im Juni 1598, war er bereits
so geschwächt, „dass er das Schwanken der Kutsche in keiner Weise ertragen konnte“,
weshalb er sich „mit Hilfe der Arme mehrerer Männer in einem Stuhl tragen ließ, der
speziell für diesen Zweck angefertigt wurde und der die Form einer kleinen Sänfte und fast
sämtliche Annehmlichkeiten des Gichtsessels aufwies“. In diesem Transportmittel wurde
Philipp II. von zwei aus der Gruppe seiner Lakaien ausgewählten Männern unter großen
Anstrengungen befördert, und auf diese Weise besichtigte er auch ausgiebig San Lorenzo.11
Über die anderen Exemplare berichtete der päpstliche Nuntius in ausführlicher Weise.
Er erzählte, dass sich der König kurz vor seinem Tod „eine Art von Tragbahre, die von
zahmen Pferden befördert wurde“, anfertigen ließ. Weiterhin benutzte Philipp II. eine Art
von Sessel, mit dem er innerhalb des Palastes
von vier Lakaien getragen wurde, einer auf jeder Seite, da er nicht in der eigens dafür an-
gefertigten kleinen Sänfte ausgehen wollte, und wenn er um vier oder fünf Uhr nachmit-
tags die Unterkunft verließ, ging einer mit einem Sonnenschirm oder -dach voraus, um
Schatten zu spenden und derart den gesamten Sessel vor der Sonne zu schützen; weiterhin
begleiteten ihn zehn, acht oder zwanzig Personen rundherum zu Fuß.12
Insgesamt besaß Philipp II. demnach neben dem „Gichtsessel“ auch eine kleine, von Men-
schen getragene Sänfte, eine Art Tragbahre, die mittels Pferden befördert wurde, sowie
vermutlich einen von vier Lakaien getragenen Tragsessel, bei dem es sich um die von Lher-
mitte erwähnte „kleine Sänfte“ handeln könnte.
Andere Erwähnungen von nicht näher spezifizierten Tragsesseln sind in Briefen des kai-
serlichen Botschafters Khevenhüller an Kaiser Rudolf II. zu finden. So schrieb Khevenhül-
ler beispielsweise am 24. Februar 1598 aus Madrid:
Den 19. hat der khunig die kayserin auf ain jagt, ain halbe meil weegs ungeverlich von
Madridt, nach dem össen durch den printzen und die infanta berueffen und plaitten laßen.
11 „[…] que no podía soportar de todo punto el bamboleo del coche […] llevar en brazos por varios hom-
bres en una silla que se fabricó para esta finalidad y que tenía forma de litera pequeña y casi tenía las
mismas comodidades que la silla de las gotas“. Sáenz de Miera/Checa Cremades 2005 (wie Anm.
8), S. 398–400.
12 „[…] cierta manera de camilla para yr en ella llevándola cavallos mansos. […] la qual llevavan quatro
lacayos, uno de cada parte, que no le pareció ir en la literilla que se havía hecho, y porque salía de las
posadas a las quatro y cinco de la tarde, yba uno delante con un pavellón o guardasol grande que le
hazía ombra y cubría toda la silla para defenderle del sol, y diez y ocho o veinte personas al rededor de a
pie“. José Ignacio Tellechea Idígoras, El ocaso de un rey: Felipe II visto desde la nunciatura de
Madrid, 1594–1598 (Monografías 79, Madrid 2001), S. 177, 253 und 255.
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Tragsessel in europäischen Herrschaftszentren
Vom Spätmittelalter bis Anfang des 18. Jahrhunderts
- Title
- Tragsessel in europäischen Herrschaftszentren
- Subtitle
- Vom Spätmittelalter bis Anfang des 18. Jahrhunderts
- Author
- Mario Döberl
- Editor
- Alejandro López Álvarez
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20966-9
- Size
- 17.5 x 24.7 cm
- Pages
- 432
- Categories
- Geschichte Vor 1918