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Tragsessel in der spanischen Monarchie des 16 und 17 Jahrhunderts 79
Der khunig hat ihr Mt. etc. und Dltt. unterwegen mit denn florentinischen leoparden und
seinen falckhnern in ainem sößl, den zwen laggai zue tragen pflegen, gewardt. […] Her-
nach die Khayserin durch ihre Dltt. widerumben zuehauß a las Descalzas plaidt worden.
Der khunig aber ist strackhs in seinem sößl dem palatio zuezogen, dan sy sy [sic] numallen
weder der gutschi noch senften geprauchen khin. Wie dem allem, so ertzaigen sy jetzo
mehr gemuet, als sy woll vor etlich jharn gethan.
Am 30. Juni 1598 berichtete Khevenhüller, dass der König nur mit dem Tragsessel nach El
Escorial befördert werden wollte und dass der Transport in einer Kutsche oder Sänfte zu
anstrengend für ihn gewesen wäre:
Des khunigs sachen habben sy dermaßen wider mennigkhliches und der medicos selbs
verhoffen gepösserdt, das sy sich anheut, unangesehen aller unglaublicher hitz, nach dem
Escurial erheben. Und machen ihr erste nachtläger geen Carauantschel. Da sy sich ain tag
oder zween verhalten. Khunen aber matigkhait halber weder ihn wagen noch der senft farn,
laßen sy allain durch die laggai ihn sößl tragen und werden nein tagraißen von hier geen
Escurial machen. Ihr Mt. nehmen dise raiß wider der medicos willen und ratt fur und hat
sy durchaus nit alhie erhalten laßen wöllen. Was volgen, gibt die zeit.13
Zwei zusätzliche Aspekte sind für uns von besonderem Interesse: Einerseits, dass die Trag-
sessel, wie mehrere Quellen belegen, von Lakaien transportiert wurden. Da diese Diener
dem königlichen Marstall zugeteilt waren, könnte dies ein Indiz dafür sein, dass Tragsessel
damals entweder tatsächlich der Stallabteilung unterstellt waren oder dass sich zumindest
allmählich die Ansicht durchsetzte, dass sie in diese für die äußere Repräsentation des
Fürsten so bedeutende Sektion des Königshauses am besten passten. Der zweite, noch in-
teressantere Punkt ist, dass zumindest der „Gichtsessel“ nicht nur ein praktisches, sondern
auch ein repräsentatives Vehikel war. Dies lässt sich aus seinem Anwendungsgebiet schlie-
ßen, etwa daraus, dass der König 1595 den Prinzen von Oranien im Tragsessel empfing,
oder aus Berichten über die Hochzeitsvorbereitungen von Thronfolger Philipp und seiner
zukünftigen Gemahlin Margarete, aus denen deutlich hervorgeht, dass Tragsessel hinsicht-
lich der Repräsentation ein höheres Ansehen genossen als ähnliche Transporthilfsmittel.
Erwogen wurde damals etwa:
13 Maria Stieglecker, „Wir haben dein gehorsames schreiben empfangen.“ Die Korrespondenz Ru-
dolfs II. mit Johann Khevenhüller, seinem Gesandten in Spanien, 1595–1598 (Dissertation, Univer-
sität Wien 2002), S. 343, 373. Den Hinweis auf diese Quelle verdanke ich Mario Döberl, bei dem
ich mich auch für die kritische Lektüre des vorliegenden Beitrags herzlich bedanken möchte.
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Tragsessel in europäischen Herrschaftszentren
Vom Spätmittelalter bis Anfang des 18. Jahrhunderts
- Title
- Tragsessel in europäischen Herrschaftszentren
- Subtitle
- Vom Spätmittelalter bis Anfang des 18. Jahrhunderts
- Author
- Mario Döberl
- Editor
- Alejandro López Álvarez
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20966-9
- Size
- 17.5 x 24.7 cm
- Pages
- 432
- Categories
- Geschichte Vor 1918