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Tragsessel in europäischen Herrschaftszentren - Vom Spätmittelalter bis Anfang des 18. Jahrhunderts
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Tragsessel in der spanischen Monarchie des 16 und 17 Jahrhunderts 81 wobei Tragsessel besonders im Hofstaat der Königinnen16 eine bedeutende Rolle erlangten. Bereits Elisabeth von Valois benutzte ein Vehikel, das als Vorläufer von Tragsesseln gelten kann, nämlich einen „Schultersessel, in dem die Königin getragen wurde“17. Überliefert ist auch, dass Königin Anna von Österreich während ihrer ersten Schwangerschaft Tragsessel benutzte, denn der König ordnete an: „falls die Königin ausgehen will, so erinnert sie da- ran, dass sie den Tragsessel nehmen soll, damit sie nicht wieder stürzt“18. Dennoch ist fest- zuhalten, dass im Hofstaat der Königinnen erst das 17. Jahrhundert als eigentliche Blütezeit für Tragsessel gelten kann. Bevor wir auf dieses Thema noch näher eingehen, sei darauf hingewiesen, dass der Hof- staat der spanischen Königinnen nach dem von Königin Isabella der Katholischen einge- führten kastilischen Vorbild organisiert war. Für den Hofstaat der Königinnen waren zwei Ordnungen erlassen worden, nämlich eine im Jahr 1575 und eine zweite, die besonders prägend werden sollte, im Jahr 1603. Tragsessel sind jedoch in beiden Schriften nicht er- wähnt, einerseits, weil sie zum Zeitpunkt der Abfassung der ersten Ordnung verhältnis- mäßig selten verwendet wurden, andererseits aber auch, weil es Ende des 16. Jahrhunderts für beinahe zwanzig Jahre keine Königin in Kastilien gab. Das Zeremoniell allein würde aber ohnehin nicht ausreichen, um sich ein genaues Bild der Rolle von Tragsesseln im Hofstaat der Königinnen zu machen. Hierfür müssen andere Quellen und auch weniger offensichtliche Indizien in Betracht gezogen werden, da sich hinter den Zeremonialtexten häufig komplexe Realitäten verbergen und eine wörtliche Auslegung der vermeintlich ka- nonischen Texte ohnehin nur ein Zerrbild vom höfischen Leben bietet. Obwohl die Ver- wendung von Tragsesseln seitens der katholischen Königinnen den Anlass für eine Reihe sehr spezifischer zeremonieller Gewohnheiten lieferte, hinterließen die Tragevehikel kaum Spuren in den erwähnten Zeremonialwerken und blieben deshalb vorerst auch weitgehend im Dunkeln.19 16 Die spanischen Monarchinnen waren damals: Kaiserin Isabella von Portugal (1526–1539), die bei- den in Spanien lebenden Gemahlinnen Philipps II., nämlich Elisabeth von Valois (1559–1568) und Anna von Österreich (1570–1580), die Ehefrau Philipps III., Margarete von Österreich (1599–1611), die Gattinnen Philipps IV., Élisabeth de Bourbon (1621–1644) und Maria Anna von Habsburg (1649–1665/1696), und schließlich die Gemahlinnen von Karl II., Marie Louise d’Orléans (1679– 1689) und Maria Anna von Pfalz-Neuburg (1689–1700). Von 1580–1598 und 1611–1621 gab es zwar keine Königin, jedoch waren gerade diese beiden Zeitperioden von fundamentaler Bedeutung für die Herausbildung des höfischen Zeremoniells, besonders hinsichtlich des Hofstaats des Königs. 17 „[…] silla de hombros en que traían a la Reyna“. AGS Casas y Sitios Reales, Leg. 79, fol. 128. 18 „[…] si la reyna quiere ir fuera, recordadle que vaya en silla porque no vuelva a caer“. Henry Kamen, Felipe de España (Madrid 1997 [1. Auflage auf Spanisch]), S. 217. 19 Kaum Erwähnung findet der Gebrauch von Tragsesseln in: La forma que tenía y guardava el rey Nrº sr Don Phelipe Segundo quando havía de salir en público a Cavallo o en coche es la siguiente. RAH, 9/683, fol. 196r–200v. Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Tragsessel in europäischen Herrschaftszentren Vom Spätmittelalter bis Anfang des 18. Jahrhunderts
Title
Tragsessel in europäischen Herrschaftszentren
Subtitle
Vom Spätmittelalter bis Anfang des 18. Jahrhunderts
Author
Mario Döberl
Editor
Alejandro López Álvarez
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2020
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20966-9
Size
17.5 x 24.7 cm
Pages
432
Categories
Geschichte Vor 1918
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