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Tragsessel in der spanischen Monarchie des 16 und 17 Jahrhunderts 83
Königin aus Angst vor Erschütterungen unmittelbar nach Eintreten der ersten Schwanger-
schaftssymptome bis zur Geburt Tragsessel benutzte. Autoren und Chronisten erwähnten
diesen Sachverhalt bei jeder sich bietenden Gelegenheit, sodass sich Tragsessel – ähnlich
wie das damals auch bei Kutschen der Fall war – zu einem viel kommentierten Gegenstand
des höfischen Lebens entwickelten. Cabrera de Córdoba berichtete im Juni 1601, dass die
im sechsten Monat schwangere Königin während ihres Aufenthaltes in Valladolid „aus rei-
nem Vergnügen regelmäßig Nonnenklöster und andere Orte im Tragsessel besucht“. Einen
Monat später vermeldete er, dass die Schwangerschaft gut voranschritt und die Monarchin
sich mit großer Regelmäßigkeit zu Nonnenklöstern und außerhalb der Stadt gelegenen
Gärten begab, um bei guter Gesundheit zu bleiben. Auch bei diesen Gelegenheiten ließ
sie sich sicherheitshalber im Tragsessel transportieren.22 Die Gewohnheit, sakrale Orte im
Tragsessel zu besuchen, sollte Margarete bis zu ihrem Tod beibehalten. Möglicherweise
hatte dies – wie später noch eingehend untersucht werden soll – auch für die adelige Da-
menwelt Vorbildcharakter. Am 10. Juni 1611 fand sich die Königin zur Grundsteinlegung
für ein Kloster nahe dem Königspalast ein. Zu diesem Anlass wurde das Königspaar mit
den Infanten in Tragsesseln zum Colegio de Doña María de Aragón befördert, wo die Geist-
lichen bereits mit Kreuz und Baldachin auf sie warteten.23 Die wichtigste Neuerung in
Verbindung mit Tragsesseln war aber deren Aufnahme ins Zeremoniell im Rahmen könig-
licher Stadteinzüge. Cabrera de Córdoba erwähnte etwa, dass das Königspaar im März
1601 nach einem vierzehntägigen Aufenthalt in Tordesillas nach Valladolid aufgebrochen
war, „wo sie am 9. des Vormonats Einzug gehalten hatten. Die Königin verwendete wegen
ihrer weiter fortschreitenden und nunmehr als gesichert geltenden Schwangerschaft einen
Tragsessel.“ Allem Anschein nach gebrauchte sie Tragsessel auch auf Reisen, denn Cabrera
de Córdoba schilderte wenig später, dass die nunmehr im dritten Monat schwangere Kö-
nigin die Strecke von Valladolid nach Tordesillas im Tragsessel zurückgelegt hatte.24 Auch
werden sollte. Beatriz Chenot/Maurice Chevalier, Cuentos recogidos por Juan de Arguijo y
otros (Publicaciones de la Excelentísima Diputación Provincial de Sevilla, Sección Literatura 3/2,
Sevilla 1979), S. 188.
22 „sale muy de ordinario a monasterios de monjas y otras partes en silla, por divertirse […]. […] sale muy
de ordinario en silla a visitar monasterios de monjas y a huertas fuera de la ciudad para hacer ejercicio
y la llevan en silla para más siguridad“. Cabrera de Córdoba 1857 (wie Anm. 20), S. 102, 107. Es
sei hier daran erinnert, dass der Hof zwischen 1601 und 1606 in Valladolid residierte.
23 Antonio de Capmany y Montpalau, Museo histórico, que comprende los principales sucesos de
España y el extrangero, como asimismo toda la parte artística y monumental de los principales
países, 2 Bde. (Madrid 21862), Bd. 2, S. 14.
24 „donde entraron á los 9 del pasado, la Reina fue en silla de manos, á causa de su preñado, del cual se
han continuado las señales de manera que se tiene ya por cosa muy cierta […]. […] en silla porque el
preñado pasa adelante y va en tres meses“. Cabrera de Córdoba 1857 (wie Anm. 20), S. 95, 97.
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Tragsessel in europäischen Herrschaftszentren
Vom Spätmittelalter bis Anfang des 18. Jahrhunderts
- Title
- Tragsessel in europäischen Herrschaftszentren
- Subtitle
- Vom Spätmittelalter bis Anfang des 18. Jahrhunderts
- Author
- Mario Döberl
- Editor
- Alejandro López Álvarez
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20966-9
- Size
- 17.5 x 24.7 cm
- Pages
- 432
- Categories
- Geschichte Vor 1918