Page - 101 - in Tragsessel in europäischen Herrschaftszentren - Vom Spätmittelalter bis Anfang des 18. Jahrhunderts
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Tragsessel in der spanischen Monarchie des 16 und 17 Jahrhunderts 101
Geistliche gut dokumentiert. Dies gilt vor allem für Sevilla und Madrid. Von einem ge-
wissen Don Juan Manuel heißt es etwa, dass er 1541 – unmittelbar nach dem missglückten
Angriff auf Algier – dem Kaiser die Hände küssen wollte, und dies, obwohl er das Haus
sonst krankheitsbedingt nicht verließ:
Sie nahmen ihn an den Armen, brachten einen Sessel an den Eingang und trugen ihn darin
mit Händen.70
Ein weiterer Augenzeugenbericht erwähnt, dass der Dekan Diego de Carmona aufgrund
von Gichtbeschwerden einen Tragsessel verwendete, worüber sich – wohl aufgrund der
ungewöhnlichen Neuheit – so mancher lustig gemacht haben soll.71
Auch an Universitäten begann man Tragsessel zu verwenden. Um 1548 nahm der Ana-
tom Bernardino Montaña an der medizinischen Fakultät Valladolids an von Alfonso Ro-
dríguez de Guevara abgehaltenen Lehrsektionen teil: Der siebzigjährige, an Gicht leidende
Montaña musste die Leichenöffnungen im Tragsessel besuchen.72 Ab 1560 scheint sich die
Verwendung von Tragsesseln allmählich verbreitet zu haben, da sie von da an immer häu-
figer auf den Straßen Kastiliens anzutreffen waren. Zwar mangelt es für jene frühe Zeit
an Zeugnissen, doch ist beispielsweise bekannt, dass um das Jahr 1554 sogenannte „si llas
literas“ gebaut wurden,73 oder auch, dass im Jahr 1565 einer der ranghöchsten Kleriker der
Diözese von Cordoba, der Dekan Juan Fernández de Córdoba, dessen Vater, Conde de
Cabra, eine der mächtigsten Personen der Stadt war, einen Tragsessel besaß. Neben einer
herkömmlichen Sänfte nannte er auch einen Tragsessel mit „vier neuen Polstern“ sein Ei-
gen. Er war aus Nussholz gefertigt und mit schwarzem Leder, Eisenbeschlägen und Trage-
holmen versehen.74
70 „[…] le metieron por los braços, dejando a la entrada una silla en que le traían a mano“. Luis Zapata
de Chaves, Miscelánea. In: Memorial histórico español: colección de documentos, opúsculos y
antigüedades que publica la Real Academia de la Historia, 50 Bde. (Madrid 1851–1963), Bd. 11, S. 33.
71 Melchor de Santa Cruz, Floresta española, 1574, hg. von Maximiliano Cabañas (Madrid 1996),
S. 580.
72 „Septuaginta annos natus, misere infesstissima podagra vexatus, cum multas in medica facultate tulisset
palmas, ut postremo de arrogantia triumpharet, continuo tecticula ductus lectionibus intererat“. Rodrí-
guez de Guevara, In pluribus ex ijs quibus Galenus impugnatur ab Andrea Vesalio in construc-
tione & vsu partium corporis humani, defensio (Conimbricae 1559), BNE, R 29.358, Widmung.
Ähnliches ereignete sich 1558 bei der Promotion von Diego Sobaños, dem Rektor der Universität
von Alcalá. Alfonso García Matamoros, Pro adserenda hispanorum eruditione, 1553, hg., über-
setzt und kommentiert von José López de Toro (Revista de Filología Española, Anejo 28, Madrid
1943), S. 46.
73 Anastasio Rojo Vega, El Siglo de Oro. Inventario de una época (Valladolid 1996), S. 382.
74 „[…] cuatro colchones nuevos […] de nogal y cueros negros, con sus hierros y varas para llevar“. Antonio
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Tragsessel in europäischen Herrschaftszentren
Vom Spätmittelalter bis Anfang des 18. Jahrhunderts
- Title
- Tragsessel in europäischen Herrschaftszentren
- Subtitle
- Vom Spätmittelalter bis Anfang des 18. Jahrhunderts
- Author
- Mario Döberl
- Editor
- Alejandro López Álvarez
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20966-9
- Size
- 17.5 x 24.7 cm
- Pages
- 432
- Categories
- Geschichte Vor 1918