Page - 103 - in Tragsessel in europäischen Herrschaftszentren - Vom Spätmittelalter bis Anfang des 18. Jahrhunderts
Image of the Page - 103 -
Text of the Page - 103 -
Tragsessel in der spanischen Monarchie des 16 und 17 Jahrhunderts 103
religiösen Bildnissen vorbehalten ist, durch Straßen getragen zu werden, die mit Vorhängen
geschmückt sind. Wir bitten Eure Majestät gnädigst darum, dies verbieten zu lassen.
Der Monarch bezog mit den Worten, er werde prüfen lassen, welches Vorgehen hierbei
angemessen sei, in dieser Frage vorerst nicht Stellung.76
Eine neue Kutschenverordnung von 1593 beförderte abermals die Verbreitung von Trag-
sesseln. Ziel des Gesetzes war es, den Gebrauch von Kutschen weitgehend auf die adelige
Führungsschicht einzuschränken. Aus diesem Grund wurde der Inhalt der Verordnung
von 1578 hinsichtlich der für Kutschen verpflichtend vorgeschriebenen Zahl von vier Zug-
pferden auch auf sogenannte „carricoches“ und sämtliche anderen Fahrzeugtypen, die in
Zukunft noch entwickelt werden würden, ausgedehnt. Gewiss trug diese Maßnahme nicht
nur zur weiteren Verbreitung von Tragsesseln bei, sondern erhöhte wohl auch deren An-
sehen als repräsentative Vehikel. Tragsessel konnten dabei helfen, die Kluft zwischen jenen,
die eine Kutsche verwendeten, und jenen, die zu Fuß unterwegs waren oder ritten, zu
überbrücken.
Es lässt sich beobachten, dass Tragsessel in den 1580er und 1590er Jahren in Mode
kamen und dass sie auch dazu beitrugen, soziale Unterschiede zu unterstreichen. Dies
deutete auch Nuntius Camillo Borghese an, als er 1594 festhielt, dass am spanischen Hof
Frauen unterschiedlicher sozialer Schichten auch spezifische Fortbewegungsarten entspra-
chen:
Quando vanno le signore principale in volta, vanno in carrozza, overo si fanno portare in
una sedia coperta alla genoesa; le altre poi di bassa conditione vanno a piedi, overo vanno a
cavallo in un asino, e con loro menano un huomo.77
Zu den Personen, die befähigt waren, Tragsessel zu verwenden, zählten Räte, Minister,
Adelige und Mitglieder der hohen Geistlichkeit, aber auch, wie die Deputierten in den
Cortes beklagten, vom sozialen Wettstreit angestachelte Damen kastilischer Städte. Ver-
76 „El haver quitado los coches sino es con quatro cavallos, ha dado ocasión que las mujeres anden en sillas
de manos con cortinas, y demás de ser desautoridad, aunque algunas tengan posibilidad para lo hazer,
dan ocasión a que otras que no pueden tanto, lo hagan, quanto más que esto de cortinas por las calles
sólo está reservado para las imágenes. Suplicamos a vuestra Magestad lo mande prohibir“. Actas de
las Cortes de Castilla. Publicadas por acuerdo del Congreso de los Diputados, a propuesta de su
Comisión de Gobierno Interior, 68 Bde. (Madrid 1861–2006), Bd. 7, S. 834, § LXV.
77 Camillo Borghese, Diario in Relation del viaggio di Monsigr Camillo Borghese auditore della
Rev. Camera da Roma in Spagna mandatovi Nuntio alla Corte straordinario da Papa Clemente
Ottavo l’anno 1594 al Re Philippo Secondo, 1594. In: Alfred Morel-Fatio, L’Espagne au XVIe et
au XVIIe siècle. Documents historiques et littéraires (Heilbronn 1878), S. 161–193, hier S. 178.
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
back to the
book Tragsessel in europäischen Herrschaftszentren - Vom Spätmittelalter bis Anfang des 18. Jahrhunderts"
Tragsessel in europäischen Herrschaftszentren
Vom Spätmittelalter bis Anfang des 18. Jahrhunderts
- Title
- Tragsessel in europäischen Herrschaftszentren
- Subtitle
- Vom Spätmittelalter bis Anfang des 18. Jahrhunderts
- Author
- Mario Döberl
- Editor
- Alejandro López Álvarez
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20966-9
- Size
- 17.5 x 24.7 cm
- Pages
- 432
- Categories
- Geschichte Vor 1918