Page - 116 - in Tragsessel in europäischen Herrschaftszentren - Vom Spätmittelalter bis Anfang des 18. Jahrhunderts
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116 Alejandro López Álvarez
riker der Monarchie. Damit setzte eine Entwicklung ein, die einige Jahrzehnte später eine
massive Ausprägung finden sollte.115 Tragsessel fanden sukzessive Eingang in die Marställe
der meisten Adeligen und der einflussreichsten Geistlichen.116 Diese Personen zeigten sich
zu verschiedensten Anlässen öffentlich in ihren Tragevehikeln. So berichtete der französische
Botschafter in Spanien über seinen im März 1621 erfolgten Empfang in Madrid durch den
Duque de Osuna:
En suite le Duc d’Ossuna me vint salüer en apparat extraordinaire: car il estoit porté en
chaise […]. Plus de vingt carosses le suivant, remplis de Seigneurs Espagnols, ses parents
& amis, ou de Seigneurs Napolitains: a l’entour de sa chaise plus de cinquante Capitaines,
Tenientes ou Alfereces reformados, Espagnols ou Napolitains.117
Am königlichen Hof entwickelten sich Tragsessel zum Mittel der Selbstdarstellung. Sie
wurden als Zeichen von Macht und Prestige der Öffentlichkeit vorgeführt. In diesem
Sinne erregte der Hofmeister der Königin, Marqués de Velada, bei seiner Abreise aus Ma-
drid großes Aufsehen. Er zog mit einem großen Gefolge aus, bei dem in Anschluss an
Kutschen, Sänften und eine Chaise-Roulante auch „der in Grün und Gold gehaltene Trag-
sessel Seiner Exzellenz mit sechs Sänftenknechten folgte“118. Aber nicht nur am Hof selbst
115 Die Vorliebe der Aristokratie für Tragsessel illustriert ein Kommentar Barrionuevos über das Pferd
des Conde de Peñaranda, das „ihn kopfüber abwarf und ihn gewiss zur Strecke gebracht hätte,
wäre er nicht von Dienern umringt gewesen, die ihn auffingen“ („le echó por las orejas, y a no ha-
llarse tan rodeado de criados, que le recogieron en los brazos, se tiene por cierto que acabara con él“). Das
Tier, so Barrionuevo, sei wohl „verärgert darüber gewesen, ihn stets – gleich vielen anderen – wie
eine Dame im Tragsessel zu sehen, und entledigte sich deshalb seiner Last“ („de enfadarse de verle
andar siempre en silla de manos como dama, como hacen otros muchos, y desechó la carga facilmente“).
Barrionuevo de Peralta 1968–1969 (wie Anm. 55), Bd. 2, S. 9.
116 Dies geht aus Stallmeister-Instruktionen hervor, die die gewachsene Bedeutung von Sesselträgern
belegen. Dieses Dienstpersonal bedurfte nun auch einer besonderen Kontrolle. In den Anordnun-
gen für einen herzoglichen Stallmeister wurde dieser etwa dazu angehalten, dafür zu sorgen, dass
die Sesselträger nicht mit der ihnen übergebenen Livree das Weite suchten, sondern ihre volle
Dienstzeit leisteten und nach ihrer Entlassung ihr Dienstkleid wieder rückerstatteten, damit es
anschließend ihren Nachfolgern weitergegeben werden könne („[…] con las libreas sino que den se-
guridad de servir el tpº que están obligados y quando alguno se despidiere se le a de quitar la librea para
dar al que entrare en su lugar“). La orden que a de tener el cavallerizo en el exerçiçio de su officio
(1619), AZ carpeta 292/24.
117 Bassompierre 1665 (wie Anm. 108), Bd. 2, S. 107.
118 „[…] la silla de manos de Su Excelencia, verde y oro, y seis Esclavos Litereros“. Relación de la forma
en que salió desta Corte, e Imperial Villa de Madrid el Excelentíssimo Sr Marqués de Velada, y
Astorga, Mayordomo Mayor de la reyna nuestra señora D. María Luisa de Borbón, en 26 de Se-
tiembre deste año 1679. llevando la Real Casa de su Magestad al Viaje de Irún, por la Reyna nuestra
Señora (Madrid 1679), BNE, R 24.575, fol. 242r–v.
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Tragsessel in europäischen Herrschaftszentren
Vom Spätmittelalter bis Anfang des 18. Jahrhunderts
- Title
- Tragsessel in europäischen Herrschaftszentren
- Subtitle
- Vom Spätmittelalter bis Anfang des 18. Jahrhunderts
- Author
- Mario Döberl
- Editor
- Alejandro López Álvarez
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20966-9
- Size
- 17.5 x 24.7 cm
- Pages
- 432
- Categories
- Geschichte Vor 1918