Page - 120 - in Tragsessel in europäischen Herrschaftszentren - Vom Spätmittelalter bis Anfang des 18. Jahrhunderts
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120 Alejandro López Álvarez
als „die ehrwürdigen Geistlichen in einer von Sevillas Adel begleiteten Prozession in Trag-
sesseln zu ihrem neuen Hospital“ transportiert wurden.128
Tragsessel und das mit ihnen in Verbindung stehende Hofzeremoniell gelangten auch
in die Vizekönigreiche von Peru und Neuspanien, insbesondere an die Höfe von Lima
und Mexiko, wo das königliche Zeremoniell getreulich nachgeahmt wurde und sich zum
zentralen Element der Herrschaftsrepräsentation entwickelte. Obwohl Tragsessel, ganz
genau wie am Hof von Madrid, auch hier vorrangig weiblich konnotierte Gegenstände
waren und ihre Verwendung häufig mit den Vizeköniginnen in Zusammenhang stand,
ließen sich nachweislich doch auch Vizekönige in Tragsesseln transportieren.129 Wie in
der spanischen Metropole waren auch die Tragsessel der Vizekönige ein bedeutender Be-
standteil bei offiziellen Besuchen.130 Tragsessel halfen einerseits beim dosierten, stufen-
weise erfolgenden Erscheinen des Vizekönigs in der Öffentlichkeit, wobei das rituelle
Verbergen des Königs als Vorbild herhielt,131 andererseits konnten durch die Verwendung
eines Tragsessels auch der Reichtum und die Macht des königlichen „Alter Ego“, das die
Kolonialterritorien im Namen des habsburgischen Monarchen regierte, betont werden.132
128 „[…] en sillas de manos, procesionalmente, asistidos de la nobleza de Sevilla, los venerables sacerdotes a
su nueva casa hospital“. Justino Matute y Gaviria, Noticias relativas á la Historia de Sevilla que no
constan en sus anales, recogidas de diversos impresos y manuscritos (Sevilla 1886), S. 139.
129 In einigen Fällen erhielten die Vizekönige eine königliche Lizenz, Tragsessel nach Amerika bringen
zu dürfen. So wurde dem Duque de Escalona 1632 die Genehmigung erteilt, mehrere Karossen,
eine Sänfte und zwei Tragsessel nach Neuspanien zu verfrachten. Diese Lizenz wurde anscheinend
am 22. Januar 1640 erneut und zu denselben Bedingungen ausgestellt. AGI, Indiferente, 452 Libro
14, fol. 180r–v und AHN, Toledo, Frías, Caja 124, doc. 84.
130 José Gálvez, Estampas limeñas (Lima 1966), S. 83.
131 In diesem Zusammenhang sei auf die Verwendung eines Tragsessels seitens des Sohnes des Vize-
königs von Neapel hingewiesen, die unmittelbar nach dessen Tod im Jahr 1601 erfolgte. Damals
besuchten die Mitglieder des vizeköniglichen Hauses allmorgendlich die Trauernovene. Der Sohn
des verstorbenen Vizekönigs verließ dabei sein Zimmer im verdeckten Tragsessel, ganz allein und
ohne Diener, um inkognito zu bleiben, da er niemanden stören wollte. („[…] salía de su quarto en
silla cubierto, solo y sin criados, por yr de incógnito. […] y esto por no disturbar los puestos, y assientos
de la Casa“.) Isabel Enciso Alonso-Muñumer, Linaje, poder y cultura. El virreinato de Nápoles
a comienzos del XVII. Pedro Fernández de Castro, VII conde de Lemos (ungedr. Dissertation,
Universidad Complutense de Madrid 2002), S. 476–484. Zu Neapel siehe auch den Beitrag von
Attilio Antonelli, Stefano Moscatelli und Ilaria Telesca im vorliegenden Band.
132 Als der Duque de Montalto 1652 als neuer Vizekönig in Valencia eintraf, zog er zu Pferd in die
Stadt ein, stellte jedoch seinen Tragsessel und seine Kutsche leer zur Schau und ahmte derart
die königlichen Einzüge nach: „[…] dahinter folgte ein über alle Maßen kostbarer Tragsessel,
mit Drillich bedeckt und von vier sich abwechselnden Mauren befördert, die mit Röcken und
Strümpfen jener Livrée versehen waren, die auch die Lakaien trugen“. („[…] luego se seguía la silla
de manos jarifamente costosa, cubierta con su terliz, y conducida alternativamente de quatro Moros con
casacas, y calçones de la misma librea de los lacayos“.) Relación de la iornada que hizo a España el
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Tragsessel in europäischen Herrschaftszentren
Vom Spätmittelalter bis Anfang des 18. Jahrhunderts
- Title
- Tragsessel in europäischen Herrschaftszentren
- Subtitle
- Vom Spätmittelalter bis Anfang des 18. Jahrhunderts
- Author
- Mario Döberl
- Editor
- Alejandro López Álvarez
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20966-9
- Size
- 17.5 x 24.7 cm
- Pages
- 432
- Categories
- Geschichte Vor 1918