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Tragsessel in der spanischen Monarchie des 16 und 17 Jahrhunderts 129
Die in den Machtkreisen entstandene und stetig wachsende Besorgnis, die Zahl der
Tragsessel könnte noch weiter ansteigen, führte ein Jahrzehnt später zu drastischen Maß-
nahmen. Eine Verordnung des Jahres 1594 versuchte die Zahl der Sesselträger sowie deren
Preistarife zu regulieren, was zeigt, wie notwendig die Kontrolle des Tragsesselgebrauchs
erschien. Leider ist in diesem Punkt aber nur wenig über weitere Entwicklungen bekannt.
Unterdessen sorgte der Gebrauch von Tragsesseln in manchen gesellschaftlichen Be-
reichen weiterhin für Aufsehen, wenngleich in etwas diffuser Art und Weise. Dies lässt
sich verschiedenen in den Cortes eingebrachten Anträgen entnehmen. Die Hauptsorge
galt dabei in erster Linie nicht den Tragsesseln selbst, sondern billigen, zweispännigen Kut-
schen. Anfang 1598 wurde ein nur ungenügend begründeter Antrag eingebracht, bei dem
es sich wohl um ein wenig überzeugendes Täuschungsmanöver handelte. Verlangt wurde
eine Abstimmung darüber, ob man den König auffordern sollte, in den wichtigsten Ort-
schaften Turniere und Ritterspiele zu genehmigen, wobei man jedoch Männern unter sieb-
zig Jahren den Gebrauch von Tragsesseln und Kutschen untersagen wollte.158 Der Antrag,
der folgenlos blieb, ist in einem größeren, komplexen Zusammenhang zu sehen. Er stellte
den Versuch dar, erneut zweispännige Kutschen in Kastilien einzuführen. Die vorgeschlagene
Einschränkung des Gebrauchs von Tragsesseln war dabei nur Nebensache. Es existieren aber
auch Indizien, die darauf hinweisen, dass sich der Gebrauch von Tragsesseln signifikant in-
tensiviert habe und dass als Gegenreaktion bereits Reformen in Planung gewesen seien, um
ihre Nutzung einzuschränken. Entsprechende Beschwerden lagen auch aus weit abgelegenen
Herrschaftsgebieten der spanischen Monarchie vor. Antonio de Morga etwa berichtete da-
mals zur allgemeinen Lage auf den Philippinen Folgendes:
[…] hinsichtlich der Behandlung und Kleidung von Männern und Frauen gibt es zahlrei-
che Ausschweifungen und ein großes Durcheinander, denn sowohl Arme als auch Reiche,
bedeutende wie unbedeutende Personen möchten sich selbst und ihre Frauen mit Trag-
sesseln, Dienern, Kirchenpodesten und ähnlichen überflüssigen Dingen versehen, was zu
zahlreichen Missständen führt: es ist daher angebracht, in dieser Sache so weit als möglich
Abhilfe zu schaffen.159
158 „[…] hombres en sillas ni en coches sino fueren de setenta años“. Actas de las Cortes de Castilla
1861–2006 (wie Anm. 76), Bd. 15, S. 766.
159 „[…] en el tratamiento y trages de hombres y mugeres hay mucho esceso y confusión, porque igualmente
pobres como los ricos, los principales como los que no lo son, quieren vestirse y arrear sus mugeres con
sillas, escuderos, estrados en las iglesias y otras demasías, de que nacen muchos inconvenientes: que es
justo se remedie de ello lo que más se pueda“. Antonio de Morga, Relación hecha por el Dr. Antonio
de Morga para S. M. de lo que se le ofrece sobre el estado de las Islas Filipinas, tanto en lo secular
como en lo eclesiástico, 1598. In: Antonio de Morga, Sucesos de las Islas Filipinas, hg. von Wen-
ceslao Emilio Retana (Madrid 1909), S. 1–588, hier S. 253 f.
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Tragsessel in europäischen Herrschaftszentren
Vom Spätmittelalter bis Anfang des 18. Jahrhunderts
- Title
- Tragsessel in europäischen Herrschaftszentren
- Subtitle
- Vom Spätmittelalter bis Anfang des 18. Jahrhunderts
- Author
- Mario Döberl
- Editor
- Alejandro López Álvarez
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20966-9
- Size
- 17.5 x 24.7 cm
- Pages
- 432
- Categories
- Geschichte Vor 1918