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Tragsessel an den Höfen der österreichischen Habsburger 269
Eleonore Magdalene zu sehen, die in einem von zwei Sesselträgern transportierten geschlos-
senen Tragsessel mit weiten Fensteröffnungen und graphisch angedeuteten Stickereien an
den Kastenwänden den Einzug hält. Erstaunlich dabei ist, dass die Kaiserin bei diesem
festlichen Ereignis einen Tragsessel verwendete, obwohl sie damals kein Kind erwartete.
Ein weiterer Stich (Abb. 13) zeigt schließlich erneut die schwangere Eleonore Magdalene
im Tragsessel, in Erwartung ihres letzten Kindes, Maria Margaretha. Thema dieser Dar-
stellung ist der am 4. März 1690 abgehaltene Einzug der kaiserlichen Familie in Wien nach
ihrer Rückkehr aus Augsburg, wo der älteste Sohn des Kaiserpaars zum Römischen König
und Eleonore Magdalene selbst zur Kaiserin gekrönt worden waren. Auf der Illustration zu
diesem Festeinzug ist der unter einem Baldachin reitende Leopold I. zu sehen. Unmittelbar
dahinter folgt ihm die Kaiserin in einem geschlossenen Tragsessel, an dessen von großen
Fensteröffnungen durchbrochenen Kastenwänden der Stecher Stickereien andeutete. Laut
dazugehöriger Bildlegende wies der Sessel der Kaiserin tatsächlich reiche Goldstickereien
auf.256 Eine andere gedruckte Einzugsbeschreibung geht etwas näher auf die bei diesem Er-
eignis verwendeten Fahrzeuge und Tragevehikel ein.257 An einer Stelle dieser Beschreibung
ist erwähnt, dass die Kaiserin „in dero kostbaren Spanischen Sessel“258 getragen worden sei,
an anderer Stelle, dass sie bei diesem Ereignis einen „sehr reich gestickten roth-sammeten
Sessel (so zu dem Spanischen Leib-Wagen gehörig)“ verwendet habe.259 Der erwähnte „spa-
nische“ Leibwagen folgte am Ende des Zugs gemeinsam mit einer gleichartig gestalteten
Maultiersänfte. Bei den drei „spanischen“ Prunkvehikeln handelte es sich wahrscheinlich
um das Ensemble, dass Leopold I. im Jahr 1666 für seine erste Gemahlin, die spanische In-
fantin Margarita Teresa, in Paris bestellt hatte. Das Wort „spanisch“ bezieht sich demnach
wohl auf die erste Besitzerin des Tragsessels und nicht auf dessen Herkunft.
Obwohl weder eine Schriftquelle noch eine bildliche Darstellung existiert, die die Ver-
wendung eines Tragsessels durch Leopold I. selbst dokumentieren würde, weisen Indizien
darauf hin, dass sich der Kaiser zumindest in den Jahren um 1680 zeitweise eines Trag-
sessels bediente. Dafür spricht zum einen die Zahl der kaiserlichen Sesselträger260, die zwi-
256 Johann Constantin Feige (Joannem Constantinum Feigium), Wunderbahrer Adlers-Schwung
oder fernere Geschichts-Fortsetzung Ortelii redivivi et continuati, Das ist: Eine außführliche His-
torische Beschreibung deß noch anhaltenden Türcken-Kriegs, […] von 1682 bis 1691 […] Anderter
Theil (Wien 1694), S. 599. Auch für diesen Anlass wird der Einsatz eines Tragsessels durch mehrere
Schriftquellen, unter anderem durch das Hofzeremonialprotokoll, bestätigt: ÖStA, HHStA, ZA,
Prot. 4, fol. 557r–560r.
257 Ausführliche Relation, von dem den 4. Martii, 1690. sehr prächtig-gehaltenen Einzug / Ihrer Kay-
serl. und Königlichen Majestäten / in dero Residentz-Stadt Wienn (o.O., o.J.).
258 Ebenda.
259 Ebenda.
260 Vgl. Kapitel 6.3.
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Tragsessel in europäischen Herrschaftszentren
Vom Spätmittelalter bis Anfang des 18. Jahrhunderts
- Title
- Tragsessel in europäischen Herrschaftszentren
- Subtitle
- Vom Spätmittelalter bis Anfang des 18. Jahrhunderts
- Author
- Mario Döberl
- Editor
- Alejandro López Álvarez
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20966-9
- Size
- 17.5 x 24.7 cm
- Pages
- 432
- Categories
- Geschichte Vor 1918