Page - 279 - in Tragsessel in europäischen Herrschaftszentren - Vom Spätmittelalter bis Anfang des 18. Jahrhunderts
Image of the Page - 279 -
Text of the Page - 279 -
Tragsessel an den Höfen der österreichischen Habsburger 279
Johanna Theresia Gräfin Harrach. Sie berichtete darin, dass sie ihren Tragsessel erneuern
lassen wollte und zunächst plante, diesen mit einem blauen, silberdurchwirkten Stoff über-
ziehen zu lassen. Schließlich habe sie von diesem Vorhaben aber Abstand genommen, da
sie es nicht gewagt habe, für ihren Tragsessel ähnliche Textilien zu verwenden wie die, mit
denen einzig der Tragsessel der Kaiserin ausstaffiert war.288
Neben diesen beiden prachtvoll ausgestatteten Tragsesseln findet sich in den Inven-
taren noch ein drittes Exemplar, dessen Textilien ebenfalls anlässlich der Hochzeit von
Leopold I. und Margarita Teresa in Paris angeschafft wurden. Es handelte sich hierbei um
einen geschlossenen Tragsessel ohne Verglasung und Vorhänge. Das Äußere des Vehikels
war mit rotem Samt bezogen und mit goldenen Posamenten und Fransen verziert. Sein
Inneres war mit scharlachrotem Damaststoff ausgeschlagen und mit Goldborten verbrämt.
Schon im Jahr 1679 wurde dieser Tragsessel, wie bereits erwähnt, aus den kaiserlichen Mar-
stallbeständen ausgemustert und den Hofsesselträgern überlassen.
Zur Ausstattung von vier anderen Tragsesseln, die in den Marstallinventaren von 1678
aufgelistet sind, ist nur wenig bekannt. Einer davon war für den kaiserlichen Beichtvater
angeschafft worden und außen mit schwarzem Leder und innen mit grauem beziehungs-
weise grobem Tuch ausgeschlagen. Die drei anderen Tragsessel waren zum Zeitpunkt der
Inventarerstellung bereits weitgehend unbrauchbar und wurden bis Ende des 17. Jahrhun-
derts aus dem Hofmarstall ausgeschieden. Zwei davon waren mit rotem Samt bespannt
und mit Goldborten reich verbrämt, der dritte war mit schwarzem Tuch ausgeschlagen.
Aus dem Zeitraum zwischen 1666 und 1690 sind auf mehreren Illustrationen histori-
scher Ereignisse kaiserliche Tragsessel abgebildet (Abb. 9–13). Leider lässt der – zumindest
was die Fahrzeuge, Sänften und Sessel betrifft – weitgehend fiktive Charakter dieser Dar-
stellungen es meist nicht zu, die darauf gezeigten Tragevehikel mit Sicherheit konkreten,
archivalisch dokumentierten Tragsesseln des Kaiserhauses zuzuordnen. Einzig durch eine
Festbeschreibung von 1690 scheint erwiesen, dass der damals beim Einzug der kaiserlichen
Familie in Wien von Kaiserin Eleonore Magdalene verwendete Tragsessel (Abb. 13) mit je-
nem zu identifizieren ist, der für den Brauteinzug ihrer Vorgängerin Margarita Teresa 1666
in Paris bestellt worden war.289
Auf sichererem Boden befinden wir uns bei Betrachtung des ältesten erhaltenen Tragses-
sels des Wiener Hofes (Kaiserliche Wagenburg Wien, Inv.-Nr. W 96, Abb. 15–16). Es han-
288 „[…] und der Daschner komen, zu segen, was er begerdt, mein sesel zu machen ihnwendich, will
ihn lasen den blaben silberstuckh nemen, […] ist der Daschner komen, da hab ich ein weil mit ihn
an sesel gemesen, hab lasen samet derzue suechen außwendig zum iberziegen, da ich trau mir ihn
nit silberstuckh außwendig zu machen, weil ihn keine alß die keiserin hadt.“ Pils 2002 (wie Anm.
251), S. 243.
289 Siehe dazu Kapitel 2.9.
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
back to the
book Tragsessel in europäischen Herrschaftszentren - Vom Spätmittelalter bis Anfang des 18. Jahrhunderts"
Tragsessel in europäischen Herrschaftszentren
Vom Spätmittelalter bis Anfang des 18. Jahrhunderts
- Title
- Tragsessel in europäischen Herrschaftszentren
- Subtitle
- Vom Spätmittelalter bis Anfang des 18. Jahrhunderts
- Author
- Mario Döberl
- Editor
- Alejandro López Álvarez
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20966-9
- Size
- 17.5 x 24.7 cm
- Pages
- 432
- Categories
- Geschichte Vor 1918