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Tragsessel in europäischen Herrschaftszentren - Vom Spätmittelalter bis Anfang des 18. Jahrhunderts
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Tragsessel an den Höfen der österreichischen Habsburger 295 bereithalten, damit jeweils eine Gruppe der Kaiserin und die andere dem Kaiser zur Ver- fügung stand. Damit sich die älteren und schwächeren Sesselträger gleichmäßig auf beide Gruppen verteilten, wurde jeweils zwei kräftigen Personen eine nur noch bedingt einsatz- fähige zugeteilt, welche die eigentliche Arbeit den stärkeren Männern überließ und nur im Bedarfsfall aushalf. Dabei spielte zwar auch der Gedanke eine Rolle, alternde Sessel- träger möglichst lange im Dienst zu halten, im Vordergrund stand dabei aber explizit die Sicherheit der im Tragsessel transportierten Mitglieder der kaiserlichen Familie. Um diese zu gewährleisten, wurde in der Dienstvorschrift auch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass den Sesselträgern übermäßiger Alkoholkonsum und das anschließende Fernbleiben vom Dienst bei strenger Strafe verboten sei. Damit die physische Nähe zum Monarchen, die der Sesselträgerdienst zwangsläufig mit sich brachte, nicht ungebührend missbraucht wurde, war es den Sesselträgern untersagt, ungefragt das Wort an den Kaiser zu richten, um persönliche Anliegen vorzubringen oder Dienstanweisungen zu erbitten. Eine Frage, die sich anhand der Dienstvorschrift von 1682 nicht klären lässt, ist, wie viele Personen am Wiener Hof gemeinhin für den Transport eines Tragsessels abgestellt wurden. Während auf mehreren bildlichen Darstellungen (Abb. 6–8, 10–12)348 kaiserlicher Tragsessel jeweils zwei Sesselträger zu sehen sind, weisen schriftliche Quellen darauf hin, dass am Kaiserhof fallweise auch vier349 bis sechs350 Sesselträger einen einzigen Tragsessel 348 Obwohl auf Abb. 6 nur der vordere Sesselträger zu erkennen ist, beförderten insgesamt wohl zwei Personen den Tragsessel. Auf der Einzugsdarstellung von 1666 (Abb. 9) sind gar keine Sesselträger dargestellt. Abb. 13 erlaubt keine sichere Aussage zur Zahl der Sesselträger. Während an den vor- deren Trageholmen kein Sesselträger zu sehen ist, lässt die Darstellung unklar, ob an der Rückseite ein oder zwei Sesselträger das Vehikel bedienen. 349 In der im „Theatrum Europaeum“ abgedruckten Beschreibung des Einzugs der kaiserlichen Braut Margarita Teresa in Wien im Jahr 1666 ist festgehalten, dass ihr leerer Tragsessel von vier kaiserli- chen Sesselträgern transportiert worden sei. Theatrum Europaeum, Bd. 10 (Frankfurt a. M. 1677), S. 193. 350 Hierfür seien vier Beispiele erwähnt: Der Herzog von Mantua schickte seiner Schwester, Kaiserin Eleonora Gonzaga (I.), im Jahr 1623 einen Tragsessel samt sechs Sesselträgern nach Wien. Aus dem Begleittext einer rund zwei Jahrzehnte älteren Zeichnung geht hervor, dass am Hof der Gonzaga stets sechs Männer, „die ale zeit umb wechslen“, den Tragsessel des Herzogs beförderten. Siehe dazu Kapitel 2.3 und Abb. 5. Vermutlich standen auch die sechs Sesselträger der Kaiserin wie jene am Hof der Gonzaga stets gleichzeitig im Einsatz. Ein anderes Beispiel stammt von Ende des 17. Jahrhunderts. Am 19. Februar 1697 ersuchte Kaiser Leopold I. seinen Oberststallmeister Graf Harrach, einer im Hoftheater veranstaltete Komödie beizuwohnen. Obwohl Harrach aufgrund heftiger Rückenschmerzen lieber auf diesen Theaterbesuch verzichtet hätte, sah er sich schließ- lich doch gezwungen, an diesem gesellschaftlichen Ereignis teilzunehmen, und ließ sich „durch 6 kay[serliche] sesseltrager naher hoff tragen“. ÖStA, AVA, FA Harrach, Hs. 134, S. 40. Beim Hervorgang nach der Geburt von Erzherzog Leopold Johann im Jahr 1716 trugen sechs kaiserliche Sesselträger den Tragsessel, in dem die Aja und der junge Prinz befördert wurden (siehe Anm. 192). Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Tragsessel in europäischen Herrschaftszentren Vom Spätmittelalter bis Anfang des 18. Jahrhunderts
Title
Tragsessel in europäischen Herrschaftszentren
Subtitle
Vom Spätmittelalter bis Anfang des 18. Jahrhunderts
Author
Mario Döberl
Editor
Alejandro López Álvarez
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2020
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20966-9
Size
17.5 x 24.7 cm
Pages
432
Categories
Geschichte Vor 1918
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