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Tragsessel an den Höfen der österreichischen Habsburger 299
Eine unmittelbare Reaktion auf die Tragsessel seitens der Wiener findet sich in einem 1705
anonym erschienenen Reisebericht über Wien aus der Feder des französischen Benediktiners
Casimir Freschot.355 Dieser erwähnte die Widerstände, auf die die Einführung von Miettrag-
sesseln anfangs bei der Bevölkerung gestoßen sei, und welch große Akzeptanz diese Trans-
portmittel mittlerweile genössen, nachdem sich ihre Vorteile und große Bequemlichkeit er-
355 „Man hat nichts mehr von der stadt Wien zu erinnern / ausser daß man von wenig zeit her die
chaises à porteur oder sänfften eingeführet / wodurch man sich mit geringen unkosten von einem
orte zum andern kan tragen lassen / ohne daß man sein geld auf die carossen wenden dörffe /
die doch zu winters-zeit schlechter dings nöthig sind / weil man sodann fast unmöglich durch
den schnee und morast / womit die gassen angefüllet seyn / kommen kan.“ (Casimir Freschot),
Relation von dem käyserlichen Hofe zu Wien […]. Aufgesetzt von einem Reisenden im Jahr 1704
(Köln 1705), S. 51. „[…] indem man / wie schon gesaget worden / wegen schnee und morastes / des
winters kaum auff denen gassen zu Wien fortkommen kan. Ohne zweiffel hat man deßwegen vor
einiger zeit die tragsessel / wie man sie zu Turin und in andern Frantzösischen städten siehet / ein-
geführet. Anfangs schiene es unmüglich / dieses zu stande zu bringen; Doch hat man mit der zeit
erkennen lernen / wie bequehm diese anordnung sey / deßwegen sind sie nunmehr durchgängig
im gebrauch / wie man denn an unterschiedenen orten der stadt buden auffgerichtet / worunter
sie stehen / ja man findet fast in allen gassen dergleichen träger / die zu allen stunden des tages und
der nacht bereit seyn auffzuwarten. Es ist auch ein unterscheid unter denen chaisen selbst / indem
einige besser als die andern / solcher gestalt / daß keine person von stande ist / so sich schämet /
sich derselben zu bedienen / weil sie es mit aller ihrem stande zukommenden pracht thun kan. Die
Dames se[l]bst gebrauchen sie öffters lieber / als ihre carossen / denn weil sie darinne gantz ver-
decket sind / so können sie desto bequemer und mit weniger aufsehen hingehen / wo sie wollen.“
Ebenda, S. 159 f.
Abb 17: Miettragsessel (?) mit zwei Sesselträgern vor dem Palais Lamberg-Sprinzenstein in Wien Aus-
schnitt aus einem Kupferstich von Johann August Corvinus nach Salomon Kleiner, 1733 © Institut für
Kuntstgeschichte, Universität Wien
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Tragsessel in europäischen Herrschaftszentren
Vom Spätmittelalter bis Anfang des 18. Jahrhunderts
- Title
- Tragsessel in europäischen Herrschaftszentren
- Subtitle
- Vom Spätmittelalter bis Anfang des 18. Jahrhunderts
- Author
- Mario Döberl
- Editor
- Alejandro López Álvarez
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20966-9
- Size
- 17.5 x 24.7 cm
- Pages
- 432
- Categories
- Geschichte Vor 1918