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322 Gudrun Szczepanek – Friederike Ulrichs
Im Gegensatz zu den beiden im Marstallmuseum erhalten gebliebenen Tragsesseln er-
achtete man andere in den Inventaren verzeichnete Tragsessel als weniger erhaltenswert.
Ihre Zerstörung und Umarbeitung zu anderen Zwecken ist beispielsweise im Inventar von
1728 dokumentiert: Ein „plausammeter“ Tragsessel wurde einer Randnotiz zufolge 1729
zerschlagen und der Samt für einen Sattel verwendet.18
2 Quellen zu Gebrauch und Funktion der frühen Tragsessel am Münchner Hof
So wertvoll die beiden Gala-Tragsessel als bildhafte Zeugnisse für den hohen repräsen-
tativen Anspruch der Wittelsbacher heute sind, so verraten sie uns doch nichts über die
einstige Nutzung und die Funktion, die Tragsessel am Münchner Hof der Wittelsbacher
hatten. Über die Marstallinventare hinaus sind Bemerkungen zum Gebrauch eines Trag-
sessels in unterschiedlichsten Kontexten des Münchner Hofes und seines Umfeldes zu fin-
den, wie zum Beispiel in Biographien, Reise- und Festberichten. Leider werden vor allem
in der Sekundärliteratur die Begriffe Sänfte und Tragsessel meist synonym verwendet, was
weitere Recherchen nach sich zieht.
2 1 Die Inventare des Münchner Marstalls
Aufschlussreich ist zunächst ein Blick in die Teilinventare oder Gesamtverzeichnisse des
fürstlichen Marstalls, die sich vom 16. bis zum 20. Jahrhundert nahezu lückenlos erhal-
ten haben.19 In den Gesamtverzeichnissen wurden neben den Pferden und Eseln auch die
Kutschen, Sänften, Tragsessel, Schlitten und sämtliches Reit- und Fahrzubehör erfasst. Die
Auflistung erfolgte meist in hierarchisch absteigender Ordnung. Der Marstall unterstand
dem Oberststallmeisteramt, und in der Regel wurde mit jedem Wechsel des Oberststall-
meisters ein neues Inventar verfasst. Mitunter gab auch das Ableben eines regierenden
Herrschers Anlass für die Erstellung eines neuen Inventars (Quellenanhang 5.1).
Das früheste erhaltene Inventar datiert aus dem Jahr 1560, also in die Regierungszeit von
Herzog Albrecht V. (reg. 1550–1579). Dieser hatte 1546 Erzherzogin Anna von Österreich
geheiratet, eine Tochter des späteren Kaisers Ferdinand I. und Schwester des nachfolgen-
den Kaisers Maximilian II. Die enge Verbindung zum Hause Habsburg war für Herzog
Albrecht V. Anlass genug, Pracht und Aufwand seiner Münchner Hofhaltung an der Re-
18 BSV.Inv0205, fol. 37v. – Vgl. Wackernagel 2002 (wie Anm. 1), Bd. 2, S. 104.
19 Vgl. Brigitte Volk-Knüttel, Verzeichnis der Inventare. In: Wackernagel 2002 (wie Anm. 1), Bd.
2, S. 348–351. – Für die große Unterstützung bei der Durchsicht und Transkription der Inventare
danken wir Dr. Magdalena Bayreuther.
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Tragsessel in europäischen Herrschaftszentren
Vom Spätmittelalter bis Anfang des 18. Jahrhunderts
- Title
- Tragsessel in europäischen Herrschaftszentren
- Subtitle
- Vom Spätmittelalter bis Anfang des 18. Jahrhunderts
- Author
- Mario Döberl
- Editor
- Alejandro López Álvarez
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20966-9
- Size
- 17.5 x 24.7 cm
- Pages
- 432
- Categories
- Geschichte Vor 1918