Page - 368 - in Tragsessel in europäischen Herrschaftszentren - Vom Spätmittelalter bis Anfang des 18. Jahrhunderts
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368 Marie Maggiani
les maîtres selliers, exclusivement et privativement à tous les autres, pourront entreprendre
de […] garnir tant dedans que dehors desdits carrosses, coches, litières et autres voitures
roulantes et portantes, de toutes sortes d’étoffes, soit de drap d’or ou d’argent, velours, da-
mas, satin et autres, tant de soie que de laine.52
Mehr noch, Sattlern wurde schließlich sogar das Exklusivrecht zuteil, die Herstellung von
Wagen, Sänften und Tragsesseln im Alleingang zu leiten. Tischlern und Wagnern wurde
hingegen ausdrücklich untersagt, in Hinkunft „travailler ni faire travailler aux carrosses,
litières, calèches et chaises à porteurs“53. Sattler standen nun in direktem Kontakt mit den
Kunden und koordinierten die Arbeiten der übrigen am Fahrzeugbau beteiligten Gewerke,
wie etwa Wagner, Tischler, Bildhauer, Maler, Vergolder oder Lackierer. Im 18. Jahrhun-
dert verstärkten sich diese Tendenzen zunehmend, als die Sattler, die nun sellier-carros-
sier genannt wurden, sich nicht allein der Herstellung und dem Verkauf von Fahrzeugen
widmeten, sondern nunmehr auch Aufgaben wie Reparaturen, den Verleih, gerichtliche
Begutachtungen oder Schätzungen von Vehikeln übernahmen. An der Spitze mancher
Werkstätte stand damals nicht mehr ein einfacher Handwerksmeister, sondern ein regel-
rechter Unternehmer.
In stilistischer Hinsicht waren Mittragsessel natürlich wesentlich schlichter gestaltet als
Privatvehikel, die für Mitglieder der Hofgesellschaft oder andere wohlhabende Personen
bestimmt waren. Damit Miettragsessel auch bei intensiver Nutzung großen Strapazen
standhalten konnten, waren sie äußerst solide gebaut. Tischler verwendeten für die Her-
stellung dieser Tragsessel leichte, gleichzeitig aber auch in hohem Maße belastbare Hölzer
von bester Qualität. Wie Schriftquellen belegen, waren Miettragsessel in Aix-en-Provence
etwa aus Pinienholz gefertigt.54 Anlässlich von Restaurierungsarbeiten konnte bei jüngeren
Tragsesseln jedoch auch der Einsatz anderer Hölzer festgestellt werden, wie etwa Buche,
Nuss und Erle, die sich aufgrund ihrer langen Haltbarkeit und ihres geringen Gewichts be-
sonders gut für den unteren Kastenbereich eigneten. Für konstruktive Teile und das Dach
kam häufig Eiche zur Verwendung, für die Paneele hingegen Pappel- oder Tannenholz. Bei
den Trageholmen wurden Hölzer mit hoher Elastizität eingesetzt, um etwaige Stöße gut
abfedern zu können.55
Bis Ende des 18. Jahrhunderts war es durchaus nicht unüblich, Tragsessel zur Gänze aus
Holz zu fertigen. Um das Kastengewicht zu verringern, wurden viele Objekte jedoch auch
52 Lespinasse 1892 (wie Anm. 33), S. 463.
53 Artikel 28. Ebenda, S. 465.
54 Boyer 1979 (wie Anm. 44).
55 In Roubos Werk wird dem Gestell und den Kastenpaneelen leider kaum Aufmerksamkeit ge-
schenkt. Vgl. Roubo 1987 (wie Anm. 32), Bd. 2, S. 558.
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Tragsessel in europäischen Herrschaftszentren
Vom Spätmittelalter bis Anfang des 18. Jahrhunderts
- Title
- Tragsessel in europäischen Herrschaftszentren
- Subtitle
- Vom Spätmittelalter bis Anfang des 18. Jahrhunderts
- Author
- Mario Döberl
- Editor
- Alejandro López Álvarez
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20966-9
- Size
- 17.5 x 24.7 cm
- Pages
- 432
- Categories
- Geschichte Vor 1918