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Transdifferenz 33
überwindet mehr als nur die konfessionellen Grenzen: Sie tauscht ein wenn auch
anstrengendes, so doch unabhängiges und abwechslungsreiches, nomadisches
Berufsleben gegen das stille, arbeitsame und sesshafte Leben einer Bäuerin. U.a.
durch dieses wahrgenommene Recht auf Selbstbestimmung des Individuums, auf
die eigene soziale Positionierung, unterscheide sich, so Jürgen Straub, die Moderne
von traditionellen Gesellschaften, in denen Identitäten (und Zugehörigkeiten) als a
priori vorgegeben aufgefasst wurden.26 Ist es in der Vormoderne v.a. das Zugehörig-
keitsbündel, das sich aus dem Zusammenwirken u.a. aus Ethnie, Konfession und
Klasse ergibt und dessen Vorgaben man auf seinem Lebensweg unhinterfragt folgt,
so sind es in der Moderne die individuellen Bedürfnisse, welche bestimmend wer-
den. Damit wird ein stillschweigend vorausgesetzter konventioneller Verhaltensko-
dex nicht nur durchbrochen, sondern der universalistische Anspruch gesellschaft-
licher Normen in Frage gestellt.
2.2 Soziale Kategorien
Um Identitäten als transitorisch, d.h. weder als unveränderbare Entität noch als
abschließbares Entwicklungsziel, sondern prozessual, begreifen zu können und
für die kulturwissenschaftlich-literaturwissenschaftliche Analyse beschreibbar zu
machen, ist es sinnvoll, Identität als ein individuell wirksames Bündel sozialer Zu-
gehörigkeiten aufzufassen. Zugehörigkeiten27 als konstituierende Elemente einer
Identitätskonzeption lassen sich in einem analytisch notwendigen Zwischenschritt
mittels binärer Differenzen fassen. Beschreibbar werden die sozialen Zugehörig-
keiten über die sozialen Kategorien, welche u.a. Gender, Ethnizität, Klasse/Schicht,
Sexualität, Alter, Nation, Konfession, regionale Herkunft, Profession, Gesundheit,
Bildung oder etwa das Besitzverhältnis betreffen. Soziale Kategorien bezeichnen,
so die Definition im Wörterbuch der Soziologie, eine »Vielheit von Personen, die
durch ein oder mehrere gemeinsame, zugleich gesellschaftl. bedeutsame Merkma-
le (z.B. Geschlecht, Lebensalter, Bildungsgrad, Beschäftigungsart) gekennzeichnet
sind. Im Gegensatz zur Gruppe […] sind keine sozialen Beziehungen, Struktur und
räumliche Nähe erforderlich«.28
Die Protagonistinnen und Protagonisten unseres literarischen Beispiels, der
Erzählung Rahel von Ada Christen, lassen sich innerhalb dieser Kategorien ein-
deutig einordnen:
26 | Vgl. Rosa: Identität, S. 50.
27 | Vgl. Hall, Stuart: The Question of Cultural Identity. In: ders./Held, David/Hubert, Don/
Thompson, Kenneth (Hg.): Modernity. An Introduction to Modern Societies. Malden, MA:
Blackwell 1995, S. 596-632, hier S. 596.
28 | Hillmann, Karl-Heinz (Hg.): Wörterbuch der Soziologie. Stuttgart: Kröner 52007, S. 814.
Transdifferenz und Transkulturalität
Migration und Alterität in den Literaturen und Kulturen Österreich-Ungarns
- Title
- Transdifferenz und Transkulturalität
- Subtitle
- Migration und Alterität in den Literaturen und Kulturen Österreich-Ungarns
- Authors
- Alexandra Millner
- Katalin Teller
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3248-8
- Size
- 15.4 x 23.9 cm
- Pages
- 454
- Keywords
- transdifference, transculturality, alterity, migration, literary and cultural studies, Austria-Hungary, Transdifferenz, Transkulturalität, Alterität, Migration, Literatur- und Kulturwissenschaften, Österreich-Ungarn
- Category
- Kunst und Kultur