Web-Books
in the Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Kunst und Kultur
Transdifferenz und Transkulturalität - Migration und Alterität in den Literaturen und Kulturen Österreich-Ungarns
Page - 65 -
  • User
  • Version
    • full version
    • text only version
  • Language
    • Deutsch - German
    • English

Page - 65 - in Transdifferenz und Transkulturalität - Migration und Alterität in den Literaturen und Kulturen Österreich-Ungarns

Image of the Page - 65 -

Image of the Page - 65 - in Transdifferenz und Transkulturalität - Migration und Alterität in den Literaturen und Kulturen Österreich-Ungarns

Text of the Page - 65 -

Palimpsest über Anna O. 65 einmal am Sprachduktus jenes Textes verdeutlichen, der Transdifferenz allgemein skizziert. Als Kommentar auf das Palimpsest um Anna O. projiziert wirkt er nicht zufällig zynisch, gerade durch seine Abstraktion von der Frage nach der Macht der jeweiligen Akteurinnen und Akteure: Die ursprünglich eingeschriebene binäre Differenz zwischen Selbst und Anderem beginnt zu oszillieren. Das Aufeinandertreffen des binären Konstrukts des Selbst als Präsenz und des Anderen als Absenz, das von der einen Kultur erstellt wurde, mit dem entsprechenden Konst- rukt der anderen im Raum zwischen den Kulturen resultiert in einer Gegenüberstellung zweier Präsenzen und Absenzen. Die Selbst- und Fremdrepräsentationen verlieren dabei ihren gesi- cherten Status (im Sinne von Authentizität) und müssen im Hinblick auf eine doppelte Alteri- tätserfahrung (dem Eigenen und dem Fremden gegenüber) neu verhandelt werden. In diesem Aushandlungsprozess erweist sich einerseits das Andere als nicht total nostrifizierbar und andererseits das Eigene als gezeichnet durch die »Spur des Anderen« (Lévinas 1998).59 6. Nach dem Abschluss des psychoanalytischen Falls um Anna O. stellt sich sowohl für Bertha Pappenheims Erzählungen als auch für Sigmund Freuds kulturtheoretische Texte die Frage nach ihrer palimpsestischen Struktur: Fokus einer wiederholenden Einschreibung ist in beiden Fällen die Frage nach der Vaterfigur, der eigenen jüdischen Herkunft und der Assimilation. Über die Metapher des Palimpsests sind kulturwissenschaftliche Theorie der Transdifferenz und psychoanalytische Theorie aufeinander bezogen. Das setzt zwar keinen Zusammenhang der beiden Theorien in ihren Gegenständen voraus, legt ihn aber nahe: Eine Hypothese zu einem theoretischen Zusammenhang eines individuellen und eines kollektiven »Unbewussten« könnte behaupten, dass auch das Freud’sche Unbewusste, wie es Lacan formuliert, »die Struktur einer Sprache« hat, also kulturell bestimmt ist. Oder sie könnte sich darauf berufen, dass das kol- lektive Gedächtnis persönliche Erinnerung institutionalisiert und speichert. Als ein gemeinsames Phänomen der Einschreibung in das persönliche Gedächtnis und zugleich der kulturellen Institutionalisierung entwirft Freud auch den »Wie- derholungszwang«. An dieses Konzept der Psychoanalyse erinnert, wie eine Kul- turtheorie der Transdifferenz die Wichtigkeit des Palimpsests als Gedächtnisme- tapher begründet: Ich schlage vor, die Metapher des Palimpsests zu dynamisieren und die Reproduktion von Sinnsystemen als palimpsestischen Prozess zu bezeichnen: Im Reproduktionszyklus muss das Ausgeschlossene ein ums andere Mal wiedereingeschrieben und überschrieben werden, um sein destabilisierendes Potential zu neutralisieren. Man kann nun argumentieren, dass dieses iterative Moment Transdifferenz produziert, da es Weltkomplexität wieder einführt, indem es notwendigerweise auf andere Möglichkeiten verweist, um die getroffene Selektion zu validieren. Und damit wird die selektierte Differenz in ein Spannungsverhältnis zu alter- nativen Differenzmarkierungen gestellt und destabilisiert. In einem gewissen Grad repro- duzieren Sinnsysteme (oder Kulturen) demnach in ihrem Prozessieren Momente der Trans- differenz. Daraus folgt, dass Transdifferenz niemals völlig kontrolliert werden kann und dass 59 | Lösch: Transdifferenz, S. 35.
back to the  book Transdifferenz und Transkulturalität - Migration und Alterität in den Literaturen und Kulturen Österreich-Ungarns"
Transdifferenz und Transkulturalität Migration und Alterität in den Literaturen und Kulturen Österreich-Ungarns
Title
Transdifferenz und Transkulturalität
Subtitle
Migration und Alterität in den Literaturen und Kulturen Österreich-Ungarns
Authors
Alexandra Millner
Katalin Teller
Publisher
transcript Verlag
Date
2018
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-8394-3248-8
Size
15.4 x 23.9 cm
Pages
454
Keywords
transdifference, transculturality, alterity, migration, literary and cultural studies, Austria-Hungary, Transdifferenz, Transkulturalität, Alterität, Migration, Literatur- und Kulturwissenschaften, Österreich-Ungarn
Category
Kunst und Kultur
Web-Books
Library
Privacy
Imprint
Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Transdifferenz und Transkulturalität