Web-Books
in the Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Kunst und Kultur
Transdifferenz und Transkulturalität - Migration und Alterität in den Literaturen und Kulturen Österreich-Ungarns
Page - 91 -
  • User
  • Version
    • full version
    • text only version
  • Language
    • Deutsch - German
    • English

Page - 91 - in Transdifferenz und Transkulturalität - Migration und Alterität in den Literaturen und Kulturen Österreich-Ungarns

Image of the Page - 91 -

Image of the Page - 91 - in Transdifferenz und Transkulturalität - Migration und Alterität in den Literaturen und Kulturen Österreich-Ungarns

Text of the Page - 91 -

Von Unkraut und Palimpsesten 91 Durch die Beiträge zum Kriegsgeschehen durch diese Frau wie auch die Ärzte weist uns die Erzählerin aber auch darauf hin, dass die Versorgung der Verletzten nach einer Schlacht – auch nach Solferino – völlig unakzeptabel ist: Wenn so tapfe- re und tüchtige Menschen wie ihre Reisebegleiter und Korrespondenten Hunderte Verletzte liegen lassen müssen, weil sie weder genügend Verbandsmaterial noch Hilfspersonal haben, dann deutet das nicht nur darauf hin, dass Kriegführen Un- sinn ist, sondern auch darauf, dass es total an der Organisation der Versorgung von Verwundeten mangelt und hier Handlungsbedarf besteht. Ihrer Leserschaft war ja bekannt, dass aufgrund der unerhörten Verletztenzahlen in der Schlacht von Solferino zum ersten Mal über die Gründung einer Organisation nachgedacht wurde, die politisch neutral Sanitätsdienste leisten sollte. Das Rote Kreuz wurde gegründet, und 1864 unterschrieben zwölf Staaten, dass sie die Neutralität dieser Organisation anerkennen würden.38 Zwei Jahre später hören wir aber nur etwas von den armeeeigenen Sanitätsdiensten, und diese erweisen sich ein weiteres Mal als unzulänglich, ohne dass die Helferinnen und Helfer, die mitarbeiten, persön- lich kritisiert würden. Die Erzählerin weist also durch ihr erneutes Erinnern an die Schlacht von Solferino auf eine Unzulänglichkeit hin, die nicht nur Österreich, sondern potenziell zu dieser Zeit ganz Europa betrifft, ohne direkte Kritik auszu- drücken, die sie als unpatriotisch hätte erscheinen lassen. Die transdifferente Leseweise verhilft uns dabei zu der Sicht, dass die Erzäh- lerin, Martha, sich ihrer Erinnerungen selbst bemächtigt und sie selbst das Pa- limpsest abschabt, statt dies einem Therapeuten (einer männlichen Sichtweise) zu überlassen, der sie bestenfalls als Tendenzautorin abstempelt und schlimmsten- falls in die Irrenanstalt abtransportieren würde, wo sie dann total der Vergessenheit preisgegeben wäre. Diese Sichtweise macht uns also auf eine Stärke aufmerksam, die so bisher eher vernachlässigt wurde, aber etwa durch die weiter oben zitierte Arbeit von Edelgard Biedermann auch ohne transdifferenten Ansatz erfolgreich versucht wurde. 4. schluss Durch meine transdifferente Leseweise habe ich aufzeigen können, wie der uns bekannte Interpretationshorizont Gender und Ästhetik dadurch erweitert werden kann, dass wir dichte, mehrschichtige Szenarien innerhalb der jeweiligen Narra- tive zu Tage fördern, die Gewohntes und teils gar nicht oder bisher anders in Be- tracht Genommenes in eine neue Ordnung bringen. Durch meine Untersuchung der Erzählerinnen konnte ich auch Verbindungen zwischen vielleicht auf den ers- ten Blick ästhetisch relativ schwach wirkenden Werken herausarbeiten. Dabei habe ich mich auf die Darstellung der instabilen Erzählerinfigur konzentriert und auf- gezeigt, wie sie nicht allein durch ihr Geschlecht a priori instabil ist, sondern mit dieser Situation auch strategisch umgeht. Bei der Kurzgeschichte Das tägliche Leben trägt die Erzählerin selbst dazu bei, dem Akt des Selbstmordes jeden Sinn zu neh- men. Keiner der Charaktere ist in der Lage, die Wahrheit auszusprechen, und die- ses Problem deutet auf ein größeres hin, nämlich darauf, dass die österreichische 38 | NN: Die Schlacht von Solferino. In: https://www.roteskreuz.at/site/leitbild/die-ge schichte-des-roten-kreuzes/ (zuletzt eingesehen am 22.5.2015).
back to the  book Transdifferenz und Transkulturalität - Migration und Alterität in den Literaturen und Kulturen Österreich-Ungarns"
Transdifferenz und Transkulturalität Migration und Alterität in den Literaturen und Kulturen Österreich-Ungarns
Title
Transdifferenz und Transkulturalität
Subtitle
Migration und Alterität in den Literaturen und Kulturen Österreich-Ungarns
Authors
Alexandra Millner
Katalin Teller
Publisher
transcript Verlag
Date
2018
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-8394-3248-8
Size
15.4 x 23.9 cm
Pages
454
Keywords
transdifference, transculturality, alterity, migration, literary and cultural studies, Austria-Hungary, Transdifferenz, Transkulturalität, Alterität, Migration, Literatur- und Kulturwissenschaften, Österreich-Ungarn
Category
Kunst und Kultur
Web-Books
Library
Privacy
Imprint
Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Transdifferenz und Transkulturalität