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Transdifferenz und Transkulturalität - Migration und Alterität in den Literaturen und Kulturen Österreich-Ungarns
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»Emma« alias »Emanuel« 111 Art sich ändert, dass wir keinen Schlüssel zu ihrem Charakter haben, und dies legt die ästhe- tische Wirkung des Romans lahm.24 »Der größere Mangel der Dame mit den Meeraugen ist«, schreibt wiederum Károly Vadnai, »dass der Held – der Erzähler selbst – nicht Held genug ist; und die Heldin […] nur durch Hypothesen, und zwar die verschiedensten, zu fassen ist.«25 Was hier bemängelt wird, ist im Hinblick auf eine Heldin der Differenz in zweifacher Hinsicht bedeutsam. Zum einen bewegt sich der Roman tendenziell von einem selbstgefälligen autodiegetischen Erzähler, der sonst ein Ganzes und ein gefeierter Autor der Zeit ist, zu einer weiblichen Figur, die selbst viel erzählt und diegetisch immer weniger beherrscht werden kann. Zum anderen erhebt die episodisch auf- kommende Selbsterzählung der Frau kein Postulat auf eine standhafte soziale und personale Identität. Was sie erzählt, wird kein Ganzes, weil sie in Abhebung vom Erzähler im bald erzwungenen, bald selbstgewählten glücklichen Wandel lebt; so dass Margócsy die frühere Jókai-Kritik zu Recht dahingehend korrigiert, dass das Konglomerat von Erzähler und Erzählerin regelrecht »gegen das homogene, prä- destinierte Gepräge der Frau als Charakter, als Konstitution, als Frau sui generis opponiert«.26 Dies hat umgekehrt zur Konsequenz, dass die mit der Erzählerstimme kon- kurrierende weibliche Erzählerstimme das männliche Selbst zersetzt, indem sie dessen erzählerisches Selbstporträt gleichsam mit Ehemannfiguren überzeichnet. Sie alle sind das, zu dem er als ehemaliger Verehrer Erzsikes (und potenziell mehr als das) nicht geworden ist, hätte auch nicht werden wollen oder können. Dennoch ist er es, der durch die wiederholten Besuche der Frau und durch die wiederhol- ten Erinnerungsakte an sie gleichsam gemahnt wird, nicht auf der Stelle gewe- sen, zur Leerstelle ihres Lebens geworden zu sein. Dessen Wiedergutmachung, der Bericht über die Frau als parallelverlaufende Lebensgeschichte, kann jedoch lediglich auf Kosten seiner eigenen erzählerischen Stabilität bewerkstelligt wer- den. Insofern bleibt sein erzählerisches Interesse an ihr wie im Bann gefangen. In der zunehmenden emotionalen Distanznahme zur sublimierten Jugendliebe nimmt die Dame mit den Meeresaugen immer mehr ihre eigene – und als solche oszillierende – Gestalt an. Ihr tragisches Ende – eingeleitet durch die Tötung ihres letzten Ehemanns – ist nur scheinbar und nur auf der Ebene der primären Lebens- geschichte eine Niederlage. Auf der Ebene ihrer Erzählungen über sich und seiner Erzählungen über sie gewinnt sie die Oberhand über den Roman (dessen Titelfigur sie eh ist). Vielleicht ist die zwanghafte, selbstzerstörerische Suche nach Eheglück, 24 | Zit. n. JMÖM Regények [Romane], Bd. 55, S. 333-334 (–i [Pál Gyulai]: A tengerszemű hölgy. In: Budapesti Szemle 177 [1891], S. 474-479). 25 | Ebd., S. 324 (Kommissionbericht der Ungarischen Akademie der Wissenschaften v. 6. Oktober 1890, ohne weitere bibliografische Angaben); Vadnais Akademiebericht ist übri- gens insgesamt positiv und führte dazu, dass der Roman den Péczely-Preis der Ungarischen Akademie der Wissenschaften erhielt. 26 | Margócsy: Nőiség, női szerepek és romantika, S. 57; vgl. hingegen Kucserka, Zsófia: Könyvbe vésett jellemek. A 19. századi magyar regényszereplők karakterének történeti meg- közelítései [Ins Buch gemeißelte Charaktere. Historische Annäherungen an charakterliche Eigenarten ungarischer Romanfiguren des 19. Jahrhunderts]. Unveröffentlichte Disserta- tion, Pécs 2013, S. 127.
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Transdifferenz und Transkulturalität Migration und Alterität in den Literaturen und Kulturen Österreich-Ungarns
Title
Transdifferenz und Transkulturalität
Subtitle
Migration und Alterität in den Literaturen und Kulturen Österreich-Ungarns
Authors
Alexandra Millner
Katalin Teller
Publisher
transcript Verlag
Date
2018
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-8394-3248-8
Size
15.4 x 23.9 cm
Pages
454
Keywords
transdifference, transculturality, alterity, migration, literary and cultural studies, Austria-Hungary, Transdifferenz, Transkulturalität, Alterität, Migration, Literatur- und Kulturwissenschaften, Österreich-Ungarn
Category
Kunst und Kultur
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