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Stereotypen von Gender und Ethnie in der
Operette der k.u.k. Monarchie
Magdolna Orosz
1. die opereTTe in der KulTur der
ÖsTerreichisch-ungarischen monarchie
Die Österreichisch-Ungarische Monarchie als komplexes historisches, politisches,
soziales und kulturelles Gebilde bietet für unterschiedlich ausgerichtete Untersu-
chungen ein reiches Panorama. Dabei ist auch ein nostalgischer Blick möglich; so
beschreibt Stefan Zweig, auf die verlorene Jugend zurückblickend, das Zentrum
Wien jener »Welt von Gestern«:
Man lebte gut, man lebte leicht und unbesorgt in jenem alten Wien, und die Deutschen im
Norden sahen etwas ärgerlich und verächtlich auf uns Nachbarn an der Donau herab, die,
statt ›tüchtig‹ zu sein und straffe Ordnung zu halten, sich genießerisch leben ließen, gut
aßen, sich an Festen und Theatern freuten und dazu vortreffliche Musik machten. Statt der
deutschen ›Tüchtigkeit‹, die schließlich allen andern Völkern die Existenz verbittert und ver-
stört hat, statt dieses gierigen Allen-andern-vorankommen-Wollens und Vorwärtsjagens
liebte man in Wien gemütlich zu plaudern, pflegte ein behagliches Zusammensein und ließ in
einer gutmütigen und vielleicht laxen Konzilianz jedem ohne Mißgunst seinen Teil.1
Obwohl Zweig die Welt der k.u.k. Monarchie als das »Jahrhundert der gesicher-
ten Werte«2 bezeichnet und rückblickend auch verschönernde Perspektiven auf die
»letzte[...] mitteleuropäische[...] Illusion«3 bei ihm auftauchen, war die Monarchie
schon immer von gleichzeitig wirkenden zentripetalen und zentrifugalen Energien
durchzogen, die vielfältige Differenzen, Spannungen, aber auch mannigfache Ver-
bindungen, Interaktionen und Berührungen generierten. Die kulturwissenschaft-
liche Monarchieforschung der letzten Jahrzehnte betont eben diese vielförmige
Ausprägung der Kultur der Monarchie, die ein »Staat vieler soziokultureller Räu-
1 | Zweig, Stefan: Die Welt von Gestern. Erinnerungen eines Europäers. Frankfurt a.M.: Suhr-
kamp 1947, S. 41.
2 | Ebd., S. 21.
3 | Magris, Claudio: Der habsburgische Mythos in der modernen österreichischen Literatur.
Wien: Zsolnay 2000, S. 201.
Transdifferenz und Transkulturalität
Migration und Alterität in den Literaturen und Kulturen Österreich-Ungarns
- Title
- Transdifferenz und Transkulturalität
- Subtitle
- Migration und Alterität in den Literaturen und Kulturen Österreich-Ungarns
- Authors
- Alexandra Millner
- Katalin Teller
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3248-8
- Size
- 15.4 x 23.9 cm
- Pages
- 454
- Keywords
- transdifference, transculturality, alterity, migration, literary and cultural studies, Austria-Hungary, Transdifferenz, Transkulturalität, Alterität, Migration, Literatur- und Kulturwissenschaften, Österreich-Ungarn
- Category
- Kunst und Kultur