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Stereotypen von Gender und Ethnie in der Operette der k.u.k. Monarchie 117
nomen«12 entwickelte, eine wichtige Funktion: Sie repräsentiert sozusagen in sich
selbst die einigenden und sprengenden Tendenzen der Kultur der Monarchie, in-
dem sie, von Komponisten unterschiedlicher nationaler und ethnischer Herkunft
geschaffen, durch ihre Themen, Konflikte, Figuren, musikalischen Eigenarten die
heterogene Vielfalt der Monarchie aufzeigt und die Divergenzen zugleich auch
durch ihre Wirkung überbrückt.
2. Von der monarchisTischen einheiT bis zum zerfall:
opereTTen als reflexionsflächen hisTorisch-KulTureller
enTwicKlungen
Die Operette als publikumswirksame Gattung der Populärkultur in der Zeit der
Österreichisch-Ungarischen Monarchie bediente teilweise den Massengeschmack,
warf zugleich aber auch Fragen in leichter konsumierbaren Formen auf, die ver-
schiedene kulturelle Diskurse bewegten: Soziale, politische, ethnische und kultu-
relle Spannungen konnten so unterschwellig und subversiv ausgetragen werden. So
kann die Operette, der »in der Donaustadt der Hang zur kleinbürgerlichen Melo-
dramatik von Anfang an«13 anhaftete, als eine der wichtigsten Gattungen der Kultur
der Monarchie, zugleich auch als eine Reflexionsfläche von Veränderungen der Mo-
narchie gedeutet werden. Die Wiener Operette durchlief in diesem Sinne mehrere
Abschnitte ihrer »Karriere«: Von den Hochtouren einer »goldenen Ära« durch die
Höhepunkte ihrer »silbernen« Periode bis hin zu den Ausklängen nach dem Zer-
fall der Monarchie blieb sie aber eine der publikumswirksamsten Formen. Sie kann
deshalb auch zu tieferen Analysen anregen, um dadurch einen Einblick in weniger
auffällige Eigenarten zu gewinnen, die auch auf Besonderheiten der verschiede-
nen Phasen der Operette der Monarchie und somit der Monarchie selbst hindeuten
können. Im Folgenden werden deswegen drei Stücke zur Analyse gewählt, die diese
Phasen repräsentieren und u.a. auch auf unterschiedliche Perspektivierungen ge-
schlechterspezifischer und ethnischer Divergenzen aufmerksam machen dürften:
Johann Strauss’ Der Zigeunerbaron (1885) ist einer der ersten großen Erfolge der
Wiener Operette, Die lustige Witwe von Franz Lehár (1905) stellt ein Prachtstück der
»silbernen Ära« dar, und Emmerich Kálmáns Gräfin Mariza (1924) bietet in gewis-
ser Hinsicht den Abschluss der monarchistischen Operettenliteratur.
2.1 Figurenkonstellationen und Geschlechterrollen in der Operette
Die Operette ist eine urbane Gattung, die populäre Sujets mit attraktivem Spekta-
kel und musikalischer Anziehungskraft angereichert aufführt und ihrem Publi-
kum teils illusionäre, teils einfach nachvollziehbare Identitätsangebote vermittelt.
Die Handlung und/oder die Figurenkombinationen in den Operetten stellen meis-
tens konventionelle Konstellationen dar, bei näherer Analyse lassen sie aber tiefere
12 | Linhardt, Marion: Residenzstadt und Metropole. Zu einer kulturellen Topographie des
Wiener Unterhaltungstheaters (1858–1918). Tübingen: Niemeyer 2006, S. 138.
13 | Haupt, Sabine/Würffel, Stefan Bodo: Geistige Zentren des Fin de Siècle: Paris, Wien,
Berlin, München, London, Prag, Petersburg. In: dies. (Hg.): Handbuch Fin de Siècle. Ein Hand-
buch. Literatur, Kultur und Gesellschaft. Stuttgart: Kröner 2008, S. 159-194, hier S. 170.
Transdifferenz und Transkulturalität
Migration und Alterität in den Literaturen und Kulturen Österreich-Ungarns
- Title
- Transdifferenz und Transkulturalität
- Subtitle
- Migration und Alterität in den Literaturen und Kulturen Österreich-Ungarns
- Authors
- Alexandra Millner
- Katalin Teller
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3248-8
- Size
- 15.4 x 23.9 cm
- Pages
- 454
- Keywords
- transdifference, transculturality, alterity, migration, literary and cultural studies, Austria-Hungary, Transdifferenz, Transkulturalität, Alterität, Migration, Literatur- und Kulturwissenschaften, Österreich-Ungarn
- Category
- Kunst und Kultur