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Magdolna
Orosz122
Die Partner des anderen Paars der Operette, Valencienne und Rossillon, vertre-
ten andere Konflikte und Unterschiede: Die Liebschaft der verheirateten Frau mit
ihrem Pariser Verehrer bringt literarische Reminiszenzen ins Spiel, die in emble-
matischen Werken von Flaubert, Tolstoj und Fontane tragisch, in zeitgenössischen
Dramen oder Erzählungen von Schnitzler skeptisch-ironisch gefärbt auftauchen.
Die verborgene/verbotene Liebe ist somit auch bei diesen Figuren vorhanden; die-
ses Paar bietet aber eher ein Gegenstück zu Hanna und Danilo, indem Valencienne
und Rossillon nicht auf große Gefühle und Leidenschaft bedacht sind, sondern von
einer kleinbürgerlich gefärbten ›Häuslichkeit‹ träumen:
Das ist der Zauber der stillen Häuslichkeit.
Die Welt liegt draussen so fern und weit!
Das ist der Zauber, der uns gefangen hält,
Wir sind für uns allein die ganze Welt! […]
Ja, wenn man es so recht betrachtet,
Wo findet man das Lebensglück? […]
Ja, wenn man es so recht betrachtet,
Giebt’s einen einz’gen Zufluchtsort,
Das ist das Haus, das ist das Heim,
Dort ist das Glück, nur dort!26
Die aus ihrem Familienstand folgende Unmöglichkeit der Beziehung wird von Va-
lencienne mehrmals betont, indem sie – die Ironie der Situation und ihre Absurdi-
tät somit bloßlegend – beteuert:
Ich bin eine anständ’ge Frau
Und nehm’s mit der Ehe genau!
Ich will derlei Aventüren
Um gar keinen Preis mehr riskieren!
Es ist ja ein törichtes Spiel,
Das niemals uns führt an’s Ziel! […]
Ich kann nur verlieren
Und Sie nichts gewinnen,
Drum müssen der Lockung
Wir eiligst entrinnen –27
Der innere Konflikt führt zu fast unlösbaren Konfliktsituationen, die jedoch durch
ein komödienhaftes Versteck- und Verwechslungsspiel (das Hanna gleichzeitig
dazu benutzt, Danilo eifersüchtig zu machen und ihn damit für ihre Zwecke zu
verwenden28) aufgehoben werden sollen. Das Pariser Ambiente vermag diese Wi-
dersprüche zwar zu glätten, sie bleiben zugleich aber als Ambivalenzen offen, denn
am Ende des Stücks ist die Beziehung zwischen Valencienne und Rossillon an-
scheinend nicht endgültig zu Ende, sondern kann im Geheimen fortgesetzt wer-
26 | Ebd., S. 11f.
27 | Ebd., S. 7.
28 | Das bedeutet, dass sie ebenfalls instrumentalisiert beziehungsweise »funktionalisiert«
werden, vgl. dazu Rácz: »aus dem Massenbedürfnis geboren«, S. 79.
Transdifferenz und Transkulturalität
Migration und Alterität in den Literaturen und Kulturen Österreich-Ungarns
- Title
- Transdifferenz und Transkulturalität
- Subtitle
- Migration und Alterität in den Literaturen und Kulturen Österreich-Ungarns
- Authors
- Alexandra Millner
- Katalin Teller
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3248-8
- Size
- 15.4 x 23.9 cm
- Pages
- 454
- Keywords
- transdifference, transculturality, alterity, migration, literary and cultural studies, Austria-Hungary, Transdifferenz, Transkulturalität, Alterität, Migration, Literatur- und Kulturwissenschaften, Österreich-Ungarn
- Category
- Kunst und Kultur