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Magdolna
Orosz124
heraus, er sehnt sich aber ausdrücklich nach dem Verlorenen beziehungsweise in
seine ursprüngliche soziale Stellung zurück:
Auch ich war einst ein flotter Reiteroffizier,
Hab’ durchgetanzt die Nächte – g’radeso wie ihr!
Hab’ mich ganz untertänigst grüßen lassen,
Den Champagner fließen lassen – g’radeso wie ihr!
Wie oft hab’ ich den süßen Klängen schon gelauscht,
Bis ich vor Glück mit keinem König hätt’ getauscht,
Wenn ihr gespielt habt, bis die Saiten sprangen,
War mein armes Herz gefangen, selig und berauscht.31
Das einstige Leben im »schönen Wien« und die Nostalgie einer vergangenen Welt
hält ihn gefangen – die märchenhafte Wendung durch die reiche Tante, die ihm sei-
ne Güter zurückkauft, stellt die vergangene Ordnung im kleinen Kreis wieder her.
Das andere Paar stellt ein ironisch gezeichnetes Gegenbild zu Mariza und Tas-
silo dar: Lisa und Zsupán sind einander ungefähr gleichgestellt, ihre Beziehung
entwickelt sich mit einer leichten Buffonnerie, die sich teilweise den ausdrück-
lichen Zigeunerbaron-Reminiszenzen verdankt. Der Rückzug in eine (immerhin
gut ausgestattete) Idylle einer Region, die in der Realität gar nicht mehr »rot-weiß-
grün«32 ist, wird rückhaltlos angenommen und gepriesen:
Komm mit nach Varasdin,
Solange noch die Rosen blühn,
Dort woll’n wir glücklich sein,
Wir beide ganz allein.
Du bist die schönste Fee
Von Debreczin bis Plattensee,
Drum möcht’ mit dir ich hin
Nach Varasdin!
Denn meine Leidenschaft
Brennt heißer noch als Gulaschsaft
Und in der Brust tanzt Herz mir Csardas her und hin!
Komm mit nach Varasdin,
Solange noch die Rosen blüh’n,
Dort ist die ganze Welt noch rot-weiß-grün!33
31 | Ebd., S. 11.
32 | Varasdin, das nach den Friedensverträgen nicht mehr zu Ungarn gehörte, wurde in den
ungarischen Aufführungen durch »Kolozsvár« (Klausenburg) ersetzt, was starke revisionisti-
sche Obertöne bewirkte, wodurch die Operette – Csákys Meinung folgend – »sogar vom da-
maligen ungarischen Revisionismus beschlagnahmt [wurde], der sich mit den neuen, durch
den Friedensvertrag von Trianon festgesetzten politischen Grenzen nicht zufriedengeben
wollte«. Csáky: Ideologie der Operette und Wiener Moderne, S. 293. Mit »Klausenburg« war
nämlich »ein Ort angesprochen […], der nun […] zu Rumänien gehörte«, wodurch »die ungari-
schen Aufführungen […] zu einer wahren politischen Manifestation ausarteten und das Duett
in einzelnen Aufführungen bis zu zwanzigmal wiederholt werden mußte.« Ebd., S. 293f.
33 | Kálmán: Gräfin Mariza, S. 28f.
Transdifferenz und Transkulturalität
Migration und Alterität in den Literaturen und Kulturen Österreich-Ungarns
- Title
- Transdifferenz und Transkulturalität
- Subtitle
- Migration und Alterität in den Literaturen und Kulturen Österreich-Ungarns
- Authors
- Alexandra Millner
- Katalin Teller
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3248-8
- Size
- 15.4 x 23.9 cm
- Pages
- 454
- Keywords
- transdifference, transculturality, alterity, migration, literary and cultural studies, Austria-Hungary, Transdifferenz, Transkulturalität, Alterität, Migration, Literatur- und Kulturwissenschaften, Österreich-Ungarn
- Category
- Kunst und Kultur