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Stereotypen von Gender und Ethnie in der Operette der k.u.k. Monarchie 129
sondern eine, die durch ihre theatralischen und musikalischen Mittel und ent-
gegen dem »fröhliche[n] Operettenklima«48 auf Spannungen und Brüche inner-
halb der k.u.k. Monarchie – mehr oder weniger direkt – hindeuten kann.
In Bezug auf die hier analysierten drei Operetten lassen sich klare Akzentver-
schiebungen nachweisen: Während im Zigeunerbaron die Etablierung und Festi-
gung monarchischer Identität und eine Einebnung tieferer Risse durch die ethni-
schen und sozialen Integrationsangebote in der Theaterillusion aufgezeigt werden,
werden in der Lustigen Witwe die inneren sowie teilweise außenpolitischen Brüche
(wie die Balkankrise) und sprengenden Konfliktpotenziale durch eine ironische,
jedoch der Gattung entsprechend glättende Perspektive verdrängt. In Gräfin Ma-
riza wird nach dem Zerfall der Monarchie ein nostalgischer Rückblick auf eine
projizierte Idylle geworfen, wobei den Operettenzitaten (d.h. den als solche funk-
tionierenden Figuren von Zsupán und der Zigeuner sowie der Zigeunermusik) die
Rolle zukommt, die verlorene – immer schon brüchige – monarchische Identität in
Erinnerung zu rufen. Auf diese Weise begleiten und reflektieren die Operetten die
k.u.k. Welt, indem sie ihr ein verschönertes und manchmal etwas verzerrtes Bild
vorhalten und dadurch auch zu einem facettenreichen »Verständnis von Identitäts-
konstruktionen in der zentraleuropäischen Moderne«49 beitragen.
liTeraTur
Adam, Erik: Die Wiener Operette als magischer Spiegel multikultureller Identi-
tät. In: Ehalt, Hubert Christian/Hochgerner, Josef/Hopf, Wilhelm (Hg.): »Die
Wahrheit liegt im Feld«. Roland Girtler zum 65. Wien: LIT 2006, S. 197-212.
Banoun, Bernard: Une opérette »sérieuse«? A propos du Baron tzigane (1885) de
Johann Strauß fils. In: Austriaca 46 (1988): L’opérette viennoise. Hg. v. Jeanne
Benay, S.
75-86.
Crittenden, Camille: »Durch eine Straußische Operette war man eins geworden«.
Austro-Hungarian Relations and Der Zigeunerbaron. In: Modern Austrian Lite-
rature 3 (1999), S. 65-84.
Csáky, Moritz: Funktion und Ideologie der Wiener Operette. In: Austriaca 46
(1988): L’opérette viennoise. Hg. v. Jeanne Benay, S. 131-149.
Csáky, Moritz: Ideologie der Operette und Wiener Moderne. Ein kulturhistorischer
Essay zur österreichischen Identität. Wien/Köln/Weimar: Böhlau 1996.
len Zügen auch historische Gründe anführt: »Ein deutliches Anzeichen für die unpolitische
Haltung der Wiener Operette ist ihre Forderung nach einem happy end. […] Mit der österrei-
chisch-ungarischen Monarchie aber, als Folge eben der politischen Resignation des Bürger-
tums, etablierte sich in der Wiener Operette das Selbstverständnis einer positiven, ›harmo-
nischen‹ Lösung theatralischer Konflikte.« Lichtfuss, Martin: Zu einer kulturgeschichtlichen
Einordnung der Wiener Operette [1989]. In: www.lichtfuss.at/sites/Martin%20Lichtfuss%20
%20Operette%20im%20Ausverkauf.html (zuletzt eingesehen am 27.6.2015).
48 | Magris: Der habsburgische Mythos in der modernen österreichischen Literatur, S. 208.
49 | Feichtinger, Johannes: Identitätskonstruktionen in der zentraleuropäischen Moderne
aus kulturwissenschaftlicher Perspektive. In: Moderne. Kulturwissenschaftliches Jahrbuch
1 (2005), S. 125-138, hier S. 128.
Transdifferenz und Transkulturalität
Migration und Alterität in den Literaturen und Kulturen Österreich-Ungarns
- Title
- Transdifferenz und Transkulturalität
- Subtitle
- Migration und Alterität in den Literaturen und Kulturen Österreich-Ungarns
- Authors
- Alexandra Millner
- Katalin Teller
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3248-8
- Size
- 15.4 x 23.9 cm
- Pages
- 454
- Keywords
- transdifference, transculturality, alterity, migration, literary and cultural studies, Austria-Hungary, Transdifferenz, Transkulturalität, Alterität, Migration, Literatur- und Kulturwissenschaften, Österreich-Ungarn
- Category
- Kunst und Kultur