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Die periphere Genese der österreichischen Kinder- und Jugendliteratur 135
Werkebene Form Aventuire, Irrationalität, Reiseliteratur
Inhalt Elternferne, Fremdes Kind, Inselmotiv, Lebensbedrohung, Motiv
des Rebellen
Rezeptions-
ebene Internationalität, Programmatik der Titelfigur
Der zweite Aspekt, die österreichische Autorenschaft, ist weitgehend Desiderat;
fast noch erstaunlicher als das späte Einsetzen der Klassiker-Diskussion an sich
ist das bislang noch gar nicht erfolgte Aufgreifen der Diskussion in Österreich
mit Bezug auf die österreichische Kinder- und Jugendliteratur. Im genannten Le-
xikon von Kümmerling-Meibauer werden unter den über 500 Werken neben 29
Klassikern aus Deutschland lediglich zwei österreichische Werke genannt, Felix
Saltens Bambi. Eine Lebensgeschichte aus dem Walde (1923) und Christine Nöstlin-
gers Wir pfeifen auf den Gurkenkönig (1972). Dies ist hier nicht deshalb erwähnt,
um die Auswahlkriterien des verdienstvollen Lexikons der deutschen Forscherin
infrage zu stellen, sondern weil sich darin die weitreichende Unsicherheit in der
Einschätzung der literarhistorischen Situation in Österreich widerspiegelt, die viel-
mehr der mangelnden heimischen Theoriebildung selbst anzulasten ist. Immer-
hin wird durch die Nennung Saltens durch Kümmerling-Meibauer die nämliche
österreichspezifische Ausgangssituation angesprochen, die auch dem genannten
Einführungswerk10 vorangeht, die dort nochmals unter dem Titel Paradoxien im
deutschsprachigen Raum11 zusammengefasst und im Folgenden zu einer erweiterten
Darstellung gebracht wird.
2. horizonTe der KlassiKer-enTsTehung
Im Hintergrund der im obigen Schema zusammengefassten Kriterien stehen zwei
Theoreme, die für die Genese der österreichischen KJ-Literatur-Klassiker sehr re-
levant sind. Der kindheitstheoretischen Position einer Dichotomie von aufkläreri-
schem und romantischem Kindheitsbild, die auf Hans-Heino Ewers12 zurückgeht,
ist in Erweiterung dieser nicht nur literarhistorisch, sondern auch phänomenolo-
gisch gedachten Zweiteilung als drittes ein postromantisches Kindheitsbild gegen-
überzustellen; ein Ansatz dazu findet sich schon bei Doderer in dem genannten
Beitrag Drei Entwürfe von Kindheit. Diesem dritten Kindheitsbild entsprechen im
Wesentlichen die eigentlichen, also a priori intentional für Kinder beziehungsweise
Jugendliche gedachten Klassiker. Verstärken beziehungsweise bestätigen lässt sich
dieses kindheitstheoretische Theorem durch eine tiefenpsychologische Position,
die in dem geistesgeschichtlich durchaus zeitbezogenen Begriff der Entfremdung
verankert ist: Entfremdung, insbesondere in philosophisch-materialistischer Kon-
notation, manifestiert sich letztendlich auch in einem grundlegenden Wandel der
Generationenbeziehungen, die nun in einem fundamentalen Paradigmenwechsel
von der familiären Situation in vorindustrieller Zeit abgehoben sind. Die Erwach-
10 | Vgl. Seibert: Themen, Stoffe und Motive in der Literatur für Kinder und Jugendliche.
11 | Ebd., S. 140-144.
12 | Ewers, Hans-Heino: Literatur für Kinder und Jugendliche. Eine Einführung. München:
Fink 2000.
Transdifferenz und Transkulturalität
Migration und Alterität in den Literaturen und Kulturen Österreich-Ungarns
- Title
- Transdifferenz und Transkulturalität
- Subtitle
- Migration und Alterität in den Literaturen und Kulturen Österreich-Ungarns
- Authors
- Alexandra Millner
- Katalin Teller
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3248-8
- Size
- 15.4 x 23.9 cm
- Pages
- 454
- Keywords
- transdifference, transculturality, alterity, migration, literary and cultural studies, Austria-Hungary, Transdifferenz, Transkulturalität, Alterität, Migration, Literatur- und Kulturwissenschaften, Österreich-Ungarn
- Category
- Kunst und Kultur