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Tamara
Scheer164
sammensetzung der k.u.k. Armee aus der Zeit des Ersten Weltkriegs weist hin-
gegen neben Kroaten und Serben die Serbokroaten separat aus.22
Die Angaben in den Grundbuchblättern, die Fragestellung und deren Interpre-
tation für die Statistik wirkten sich außerdem auf die Regimenter aus. Es gab eine
hohe Anzahl von Regimentern, in denen eine Sprachgruppe nur knapp die 20-Pro-
zent-Hürde schaffte beziehungsweise knapp darunter lag. Dies hatte zur Folge,
dass das Regiment nicht zwei- oder mehrsprachig wurde. In einer national auf-
geheizten Region wie Böhmen machte es einen Unterschied, ob ein Regiment rein
deutsch- oder tschechischsprachig war oder beide Sprachen anerkannt wurden. Bei
knappen Mehrheiten darf davon ausgegangen werden, dass die Möglichkeit der
unterschiedlichen Interpretation bestand und diese eventuell auch genutzt wurde.
Tatsächlich habe ich für solcherart Überlegungen bislang keine Besprechung in
den administrativen Militärdokumenten gefunden, doch lassen lokale politische
Beschwerden, wie sie von Rok Stergar für die Slovenisch sprechenden Regionen
beforscht wurden, den Schluss zu, dass es vorkam.23 Kritik bestand v.a. darin, dass
das lokale Militär bestrebt war, den Prozentsatz der deutschsprachigen Regimenter
hoch anzusetzen. Darin lag auch ein praktischer Grund. Es standen wesentlich
mehr Offiziere zur Verfügung, die des Deutschen mächtig waren als des Sloveni-
schen. Ebenso lassen sich ungarische Forderungen nach einer anderen Fragepraxis
bei der Musterung finden, wobei das Ministerium auf die sich dann veränderte
Zusammensetzung der Regimentssprachen hinwies.24
Zweisprachige Soldaten entweder der einen oder der anderen Sprache zuzu-
ordnen, war eine Möglichkeit. Ein anderer Umgang wurde indessen im Fall der
jüdischen Soldaten praktiziert. In Galizien und der Bukowina sprachen viele meist
jiddisch und daneben die landesüblichen Sprachen. Da Jiddisch nicht den Status
einer offiziellen (Regiments-)Sprache besaß, oblag es dem Kanzlisten oder der loka-
len Militärbehörde, ob jemand in Galizien Pole oder Ruthene wurde oder in Ungarn
Ungar oder Deutscher. Auch die südslavisch bewohnten Gebiete der Donaumon-
archie sind in diesem Zusammenhang zu erwähnen. Viele Quellenzitate spiegeln
die Überzeugung wider, dass es sich bei dem Serbischen und Kroatischen um ein
und dieselbe Sprache handeln würde. Das Hauptmerkmal bei der Zuordnung war
dann wohl in der Praxis nach der Religionszugehörigkeit. Ein Orthodoxer wurde
zum Serben, ein Katholik zum Kroaten. In Bosnien-Hercegovina gab es für die
Rekruten nur zwei Möglichkeiten: Serbisch oder Kroatisch. Wiederkehrende Be-
schwerden vonseiten der muslimischen Bevölkerung zeigen, dass ihnen die Praxis
der Statistik wohl bewusst war. Sie akklamierten, nicht zu Serben und Kroaten ge-
macht werden zu wollen, wenn sie in der Armee dienten. Die Armeeführung ging
22 | Vgl. ÖStA/KA/Militärkanzlei Seiner Majestät, 30-1/2, Kt. 1372, Farbtabellen sprach-
liche Zusammensetzung der k.u.k. Armee; s. auch http://wk1.staatsarchiv.at/kriegsalltag/
farbtabellen-sprachliche-zusammensetzung (zuletzt eingesehen am 7.8.2015).
23 | Vgl. Stergar: Fragen des Militärwesens in der slowenischen Politik, S. 391-422.
24 | Als Beispiel für die in Ungarn stationierten k.u.k. Regimenter und wie sich eine geän-
derte Frage nach Sprache auf die offiziell anerkannten Sprachen dieser Regimenter aus-
wirken würden, vgl. ÖStA/KA/RKM, Präs, 50-31/1, Note an den k. k. Ministerpräsidenten,
18.11.1905. Für Kroatien-Slavonien wurden keine Zahlen angegeben.
Transdifferenz und Transkulturalität
Migration und Alterität in den Literaturen und Kulturen Österreich-Ungarns
- Title
- Transdifferenz und Transkulturalität
- Subtitle
- Migration und Alterität in den Literaturen und Kulturen Österreich-Ungarns
- Authors
- Alexandra Millner
- Katalin Teller
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3248-8
- Size
- 15.4 x 23.9 cm
- Pages
- 454
- Keywords
- transdifference, transculturality, alterity, migration, literary and cultural studies, Austria-Hungary, Transdifferenz, Transkulturalität, Alterität, Migration, Literatur- und Kulturwissenschaften, Österreich-Ungarn
- Category
- Kunst und Kultur