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Aleksander Puškin in Russland. Das allen drei Einträgen Gemeinsame ist die Be-
zeichnung »ukrainischer Schriftsteller«, wobei dem »Schriftsteller« im polnischen
Eintrag noch »Dichter« vorangestellt wird. In diesen beiden Einträgen wird »Dich-
ter« expliziert, wobei die Art der Explikation auf unterschiedliche Konnotationen
schließen lässt.
Gern wird spekuliert, was gewesen wäre, wenn Ivan Franko Professor an der
Lemberger Universität geworden wäre. Ob er dann weniger belletristische Texte
und mehr wissenschaftliche Aufsätze geschrieben beziehungsweise gar auf die
Schriftstellerei verzichtet hätte? Frankos Biografie, sein Briefwechsel, seine Selbst-
zeugnisse, die Chronologie seines Schaffens und Wirkens legen nahe, dass er bei-
des war, Schriftsteller und Gelehrter, dass diese zwei Beschäftigungen einander
ergänzten, ja vielleicht sogar einander bedurften, genauso wie seine sozialen und
politischen Aktivitäten ihm ausreichend Stoff für seine literarischen Texte geliefert
hatten.
Im Rahmen der sozialen Emanzipation wurde der Bildung ein immer wichti-
gerer Platz in den galizischen Familien eingeräumt. In diesem Sinne war die zwei-
te Hälfte des 19. Jahrhunderts tatsächlich eine Umbruchzeit. Frankos Lebenslauf
ist beispielhaft hierfür. Zwei Jahre besuchte er eine Dorfschule, drei weitere Jahre
die vierklassige Normalschule im Basilianerkloster in Drohobycz/Drohobych, an-
schließend das Realgymnasium ebendort, das er 1875 »mit vorzüglichen Noten aus
allen Gegenständen«11 absolvierte. Sein Studium der klassischen Philologie und
der ukrainischen Sprache und Literatur an der Lemberger Universität wurde durch
eine Verhaftung im Juli 1877 im Zusammenhang mit seinem öffentlichen Enga-
gement unterbrochen. Um seine Universitätsausbildung abzuschließen, ließ sich
Franko für das Sommersemester 1892 an der Universität Czernowitz inskribieren.
»Seit 1889 neigte ich mehr zur wissenschaftlichen Arbeit«, bekennt sich Franko in
seiner für Herders Konversations-Lexikon verfassten autobiografischen Skizze. In der
Franko-Forschung gilt 1889 als das Jahr, in dem Ivan Franko den Beschluss fasste,
eine Promotion in Wien anzustreben. In diesem Jahr erfuhr Franko, dass Vatroslav
Jagić, Professor an der Wiener Universität, im Gespräch mit einem nicht näher ge-
nannten Lemberger die Ukrainer ermuntert haben soll, Slavistik zu studieren, und
ihnen versprochen haben soll, bei der Beschaffung von Stipendien behilflich zu
sein.12 Da dieses Jahr eine von Ivan Franko selbstgewählte Zäsur darstellt, wäre es
angebracht, sich genauer anzusehen, was er bislang geschrieben beziehungsweise
erwirkt hat. Frankos literarische Betätigung geht der wissenschaftlichen voraus:
Bereits 1874 war sein Gedicht Ein Volkslied und 1875 die Erzählung Petriї i Dov-
buščuky entstanden. Bis 1889 war Franko Autor vielbeachteter literarischer und wis-
senschaftlicher Arbeiten, fand sowohl als Schriftsteller als auch als Wissenschaft-
ler Akzeptanz, wenngleich seine poetischen und belletristischen Werke sich im
Vergleich zu seiner wissenschaftlichen Tätigkeit eines breiteren Echos erfreuten.
11 | Franko: Autobiographie, S. 35.
12 | Den Beziehungen zwischen Jagić und Franko geht Tetjana Mańkovśka im Punkt 3.2. des
dritten Teiles ihrer Dissertation nach, vgl. Mańkovśka, Tetjana: Problemi lingvoukrainistiki v
naukovyj spadśćini V. Jagića [Probleme der linguistischen Ukrainistik im wissenschaftlichen
Nachlass von V. Jagić]. Unveröffentlichte Dissertation, Kiev 2005. Näheres vgl. http://lib.
npu.edu.ua/full_txt/MANLIN-2007/st%2096-154.pdf (zuletzt eingesehen am 6.5.2016).
Transdifferenz und Transkulturalität
Migration und Alterität in den Literaturen und Kulturen Österreich-Ungarns
- Title
- Transdifferenz und Transkulturalität
- Subtitle
- Migration und Alterität in den Literaturen und Kulturen Österreich-Ungarns
- Authors
- Alexandra Millner
- Katalin Teller
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3248-8
- Size
- 15.4 x 23.9 cm
- Pages
- 454
- Keywords
- transdifference, transculturality, alterity, migration, literary and cultural studies, Austria-Hungary, Transdifferenz, Transkulturalität, Alterität, Migration, Literatur- und Kulturwissenschaften, Österreich-Ungarn
- Category
- Kunst und Kultur