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»Die Dinge reden im Lichte eine andere Sprache als im Dunkeln.« 195
enbewegung völlig entsprochen hätte, konnte bei den meisten deutschsprachigen
Autorinnen aus dem Gebiet der Slovakei nicht festgestellt werden. Als Ausnahmen
sind nur zwei von ihnen zu betrachten: Elsa Grailich, die mehrere publizistische
Texte zur Frauenproblematik veröffentlichte,16 und Marie Frischauf-Pappenheim,
die als Ärztin feministische Ansichten vertrat.17
Sowohl die Vertreterinnen und Vertreter des Differenzkonzepts als auch jene
des Gleichheitskonzepts arbeiteten in bestimmten Fragen (wie z.B. Mutterschafts-
versicherung, Solidarität) mit besonders unterprivilegierten Gruppen weiblicher
Arbeitskräfte zusammen. Hier gab es also durchaus Überschneidungen. Trotz
dieser feministischen Untergruppierungen und der Tatsache, dass der Emanzipa-
tionsdiskurs in der gesamtungarischen Presse und den Provinzblätter umfassend
ausgetragen wurde, tendierten die meisten Frauen zur konservativen Ausrich-
tung – ein Phänomen, das übrigens auch auf die untersuchten deutschsprachigen
Schriftstellerinnen zutrifft.18
Im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts stieg die Zahl der Schriftstellerinnen
in mehreren Etappen sprunghaft. Es erschien eine ganze Reihe von Lexika über
Schriftstellerinnen, und in den großen Städten gründete man Künstlerinnen-
und Schriftstellerinnenvereine. Nicht alle dieser Frauen veröffentlichten Bücher;
häufig schrieben sie Artikelreihen in Magazinen und Zeitschriften, Almanachen
oder Familienblättern, oft publizierten sie auch Fortsetzungsromane in den ver-
breiteten Wochenschriften. Das Ansteigen dieser Produktion lässt nicht zuletzt
Rückschlüsse auf die Lesefähigkeit von breiten Bevölkerungsschichten zu. Ihr
Identifikationshunger will befriedigt werden. Groschenromane und immer raffi-
niertere Vertriebsmechanismen tragen dem ebenso Rechnung wie die breite Streu-
ung sämtlicher literarischer Genres und die Qualitätsspanne von Minderwertigem
bis heute noch Lesbarem, was besonders für die historisch und zeitlos bedeutende
Literatur von Frauen gilt.19
Um sich literarisch oder publizistisch zu äußern, mussten die Autorinnen oft
innere Widerstände, eigene Ängste und Vorstellungen von der eigenen Minderwer-
tigkeit überwinden. Schriftstellerisch tätig zu sein, hieß gegen ungeschriebene Ge-
setze vorgehen, um in männliche Netzwerke des Literaturbetriebs einzudringen.
Die Autorinnen griffen – um ihre Identität nicht preiszugeben – zu verschiede-
nen Strategien: Sie publizierten oft anonym, verwendeten Kryptonyme (Initialen),
im Königreich Ungarn. In: Rumpler, Helmut/Urbanitsch, Peter (Hg.): Die Habsburgermonar-
chie 1848–1918. Bd. VIII: Politische Öffentlichkeit und Zivilgesellschaft. 1. Teilbd.: Vereine,
Parteien und Interessenverbände als Träger der politischen Partizipation. Wien: ÖAW 2006,
S. 1359-1491.
16 | Vgl. z.B. Grailich, Elsa: Sozialisierungsbestreben und Familienleben. In: Neues Frauen-
leben 1 (1911), S. 5-7.
17 | Sie arbeitete als Anästhesistin bei Schwangerschaftsabbrüchen. Zusammen mit Annie
Reich veröffentlichte sie 1930 die Schrift Ist die Abtreibung schädlich? Es handelte sich um
eine Informationsbroschüre, in der die Autorinnen den Frauen das Selbstbestimmungsrecht
auf ihren Körper erklärten. Mit ihrer Schrift sorgten sie für eine engagierte Diskussionsgrund-
lage.
18 | Vgl. Dudeková: Konzervatívne feministky?
19 | Vgl. Kiesel, Helmut: Die Geschichte der literarischen Moderne. Sprache, Ästhetik, Dich-
tung im 20. Jahrhundert. München: Beck 2004, S. 85-98.
Transdifferenz und Transkulturalität
Migration und Alterität in den Literaturen und Kulturen Österreich-Ungarns
- Title
- Transdifferenz und Transkulturalität
- Subtitle
- Migration und Alterität in den Literaturen und Kulturen Österreich-Ungarns
- Authors
- Alexandra Millner
- Katalin Teller
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3248-8
- Size
- 15.4 x 23.9 cm
- Pages
- 454
- Keywords
- transdifference, transculturality, alterity, migration, literary and cultural studies, Austria-Hungary, Transdifferenz, Transkulturalität, Alterität, Migration, Literatur- und Kulturwissenschaften, Österreich-Ungarn
- Category
- Kunst und Kultur