Page - 276 - in Transdifferenz und Transkulturalität - Migration und Alterität in den Literaturen und Kulturen Österreich-Ungarns
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diese Zeitschrift als eine Informationsquelle26 über die Slaven, insbesondere über
die Kroaten in der Monarchie, angesehen werden, wobei er die Kroaten als ein Kul-
turvolk präsentiert und somit das Stereotyp vom Kriegervolk widerlegt.
So stellt die Gleichzeitigkeit des Imperialen und des Nationalen einen Aus-
gangspunkt für die Analyse der frühen Schriften Šenoas dar. Mit dem Konzept
der Transdifferenz korrespondiert v.a. die ideelle Offenheit seines nationalen Vor-
habens, das noch nicht festgelegt ist, sondern prozessual erst entwickelt wird und
somit mit der Idee der »Identitätsgenerierung«27 aufs Engste verknüpft ist. In sei-
nen Texten sind parallele Prozesse zu verfolgen: Einerseits soll die monarchistische
»Konstruktion einer Einheit in der Vielfalt«28 als offizielle Doktrin festgesetzt wer-
den, andererseits kommt es zur Etablierung einzelner nationaler Narrative inner-
halb der Monarchie. In seinem Programm wird die Loyalität der imperialen Macht
mit den für das 19. Jahrhundert typischen emanzipatorischen Bestrebungen ver-
bunden. Exemplarisch für diese doppelte Tendenz steht der Aufruf zur Gründung
einer slavischen Bibliothek in Wien, mit dem Ziel, »gegenseitiges Kennenlernen
der slavischen Stammverwandten«29 zu ermöglichen. Dadurch soll sie »zur natio-
nalen Bildung« der in Wien lebenden slavischen Jugend beitragen, um so »einen
nationalen Annäherungsort der Slaven in der Fluth des Fremdenthumes«30 zu bil-
den. Diese Warnung vor dem Fremden ist als die von Eric J. Hobsbawm detektierte
zweischneidige Eigenart des nationalen Diskurses31 zu identifizieren, in der die
Homogenisierungsprozesse mit der Exklusion des Fremden einhergehen. Diese
strikte binäre Einteilung in das Eigene und das Fremde weist auf die Ambivalenzen
im Projekt des Nationalen hin. Hier soll diese starke Dichotomisierung, die auch
in Šenoas Artikeln zum Tragen kommt, in ihrem transdifferenten Potenzial gedeu-
tet werden. In seinen Schriften entwirft Šenoa ein nationales Narrativ, das, durch
binäre Kodierungen strukturiert, dynamisch und zukunftsgerichtet zugleich ist.
Mit Ruth Wodak u.a. kann das nationale Programm auch als eine der »Dissimi-
lationsstrategien« beschrieben werden, die, wie die so genannten »konstruktiven
Strategien« im Allgemeinen, »eine bestimmte nationale Identität aufzubauen und
zu etablieren [versucht], indem sie sprachlich direkt oder indirekt zu Unifikation,
Identifikation, Solidarität, aber auch zu Abgrenzung«32 führt.
26 | Vgl. Frangeš/Živančević: Povijest hrvatske književnosti, S. 276.
27 | Manzeschke, Arne: Kanon Macht Transdifferenz. In: Allolio-Näcke, Lars/Kalscheuer,
Britta/ders. (Hg.): Differenzen anders denken. Bausteine zu einer Kulturtheorie der Trans-
differenz. Frankfurt a.M./New York: Campus 2005, S. 86-103, hier S. 87.
28 | Maner, Hans-Christian: Zentrum und Grenzregionen in der Habsburgermonarchie im 18.
und 19. Jahrhundert. Eine Einführung. In: ders. (Hg.): Grenzregionen der Habsburgermonar-
chie im 18. und 19. Jahrhundert. Ihre Bedeutung und Funktion aus der Perspektive Wiens.
Münster: LIT 2005, S. 9-24, hier S. 21.
29 | NN [August Šenoa]: Aufruf zur Gründung einer slavischen Bibliothek in Wien. In: Slavi-
sche Blätter 9 (1865), S. 426-428, hier S. 427.
30 | Ebd., S. 426f.
31 | Vgl. Hobsbawm: Nationen und Nationalismus, S. 191.
32 | Wodak, Ruth u.a.: Zur diskursiven Konstruktion nationaler Identität. Frankfurt a.M.:
Suhrkamp 1998, S. 76.
Transdifferenz und Transkulturalität
Migration und Alterität in den Literaturen und Kulturen Österreich-Ungarns
- Title
- Transdifferenz und Transkulturalität
- Subtitle
- Migration und Alterität in den Literaturen und Kulturen Österreich-Ungarns
- Authors
- Alexandra Millner
- Katalin Teller
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3248-8
- Size
- 15.4 x 23.9 cm
- Pages
- 454
- Keywords
- transdifference, transculturality, alterity, migration, literary and cultural studies, Austria-Hungary, Transdifferenz, Transkulturalität, Alterität, Migration, Literatur- und Kulturwissenschaften, Österreich-Ungarn
- Category
- Kunst und Kultur