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Cristina
Spinei330
Es ist anzunehmen, dass viele schreibende Frauen möglicherweise aus finan-
ziellen Gründen dieser Tätigkeit nachgegangen sind, v.a. weil ihre Beiträge insbe-
sondere in den ersten Schaffensjahren oft unter Pseudonymen in der Bukowinaer
Post erschienen.15 Für die Entscheidung vieler Schriftstellerinnen, Pseudonyme zu
verwenden,16 war vermutlich auch der Druck seitens der Familie verantwortlich,
die deren Berufstätigkeit als die bürgerliche Kultur, folglich die Institution Fami-
lie gefährdend betrachtete. Diese Tatsache dauerte trotz neuer sich anbahnender
Möglichkeiten für Frauen, welche sich durch die Expansion der Angestelltenkultur
ergeben hatten, noch bis in die Jahrzehnte um 1900 an.
Liest man die Beiträge der Frauen aus einer genderorientierten Perspektive, so lässt
sich unschwer erkennen, dass Frauenfiguren ein eher passiver Handlungsraum
eingeräumt wird. Auf inhaltlicher Ebene können die Schwerpunktsetzungen un-
schwer ausgemacht werden, wobei ein ziemlich breites thematisches Spektrum ab-
gedeckt wird: Einesteils behandeln die Beiträge die ›großen‹ Themen des Lebens,
wie Freundschaft, Krankheit oder Tod, oder schneiden nach einem noch reduktio-
nistischen Prinzip Fragen der Liebe, der Heirat an,17 anderenteils werden in einer
humorvollen Manier alltägliche Probleme diskutiert. Es gilt festzuhalten, dass ins-
gesamt die von Frauen aufgegriffenen Sujets vielgestaltig sind. Zusätzlich finden
sich zahlreiche Abhandlungen über die Lektüren von Frauen oder diesbezügliche
Empfehlungen seitens der Verfasserinnen. Sehr viele der Texte haben die Bezie-
15 | So unterzeichnete beispielsweise die deutsche Schauspielerin Margarete Langkammer
als Richard Nordmann, die österreichische Schriftstellerin und Salzburger Frauenrechtle-
rin Irma von Troll-Borostyáni als Leo Berger oder Veritas, die deutsche Schriftstellerin Eva
Gräfin von Baudissin als Bernhard von Brandenburg, die deutsche Schriftstellerin Martha
Asmus publizierte unter dem Pseudonym Martha Klodwig, die österreichische Schriftstel-
lerin, Übersetzerin und Redakteurin Carola Bruch-Sinn unter Adele von Drachenfels sowie
Carola, Saldau und Sphinx, die böhmische Schriftstellerin Aloisia (Lola) Kirschner als Ossip
Schubin, die österreichische Schriftstellerin Ida Bock-Stieber mit Ida Bock, die deutsche
Schriftstellerin Marie Stahl als Marie Dieckmann, die mährische Autorin Ida Oppenheim als
Ida Oppen, die deutsche Lyrikerin Helene von Tiedemann als Leon Vandersee, die in Lem-
berg/L'vyv geborene Schriftstellerin, Übersetzerin, Feuilletonistin Henriette Perl als Henry
Perl, die deutsche Schriftstellerin und Journalistin Kory Elisabeth Korytowsi (geborene Ro-
senbaum) mit Kory Towska, die österreichische Opernsängerin Marie Pölzl als Marie Renard,
die ungarische Erzählerin, Kinderbuchautorin, Übersetzerin und Feuilletonistin Berta Kat-
scher mit Ludwig Ungar, Albert Kell(n)er, Ludwig Koelle, Ludmilla Koelli (Koelle), die Wiener
Dichterin und Prosaistin Antonie Böhm als Alma Friedland, oder im Übrigen auch Elisabeth
I., Königin von Rumänien, als Carmen Sylva.
16 | Kord, Susanne: Sich einen Namen machen. Anonymität und weibliche Autorschaft
1700–1900. Stuttgart: Metzler 1996, S. 81.
17 | Vgl. z.B. Stahl, Marie: Neues Jahr und alte Liebe (Schluß). In: Bukowinaer Post v.
5.1.1896, S. 1-2, hier S. 2: »Sein Ton hatte sich geändert, er sprach heiße, leidenschaftliche
Worte, sein Auge ruhte auf ihr mit jenem brennenden Blick, der Gewalt über sie hatte — er
faßte ihre Hände und zog sie sanft an sich — da war es, als ob ein rosiger Nebel sich vor ihre
Augen legte, als ob ein Schwindel ihr vom Herzen ins Hirn stiege.«
Transdifferenz und Transkulturalität
Migration und Alterität in den Literaturen und Kulturen Österreich-Ungarns
- Title
- Transdifferenz und Transkulturalität
- Subtitle
- Migration und Alterität in den Literaturen und Kulturen Österreich-Ungarns
- Authors
- Alexandra Millner
- Katalin Teller
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3248-8
- Size
- 15.4 x 23.9 cm
- Pages
- 454
- Keywords
- transdifference, transculturality, alterity, migration, literary and cultural studies, Austria-Hungary, Transdifferenz, Transkulturalität, Alterität, Migration, Literatur- und Kulturwissenschaften, Österreich-Ungarn
- Category
- Kunst und Kultur