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Zwischen Kulturen und Identitäten 331
hungen zwischen Mann und Frau zum Hauptthema.18 Dabei wird auf zeitgenössi-
sche soziale Interaktionsformen im Ehe- und Familienleben rekurriert und durch
die erzählende, ja oft unterhaltende, dennoch zeitkonforme Gegenüberstellung der
Charakterschwächen von Männern und Frauen eine – wenn auch eher linde – Aus-
einandersetzung mit Einstellungen und Denkmustern der Czernowitzer Lebens-
welt ein nicht ignorierbares Anschauungsmaterial geliefert. Viele der Prosatexte
und Gedichte haben das Leben in der Großstadt zum Gegenstand, wobei die Hand-
lung in der Regel im Stadtgarten, im Theater oder in der Oper, im Salon, im Wirts-
oder Kaffeehaus angesiedelt ist. In einzelnen Erzählungen wird die klein- und
großbürgerliche Lebenswelt der Künstler, Intellektuellen und Beamten in Wien,
Czernowitz, Berlin und in den Ferienorten beschrieben. Die veröffentlichten Ge-
dichte stellen oft die Schönheit der Frau, ihre traditionelle Rolle als Mutter oder
Ehefrau oder ihre Verbundenheit mit der Natur ins Zentrum.19
Im Besonderen sind es Charakteristika wie Schüchternheit, Zartheit und An-
lehnungsbedürfnis, die als weibliche Kerneigenschaften präsentiert werden.20 Die
dargestellten Figuren sind gefühlsbetonte, kokette Frauen und Verfechterinnen
schwärmerischer Liebe, die oft Position für ein traditionelles, den Vorstellungen
der bürgerlichen Gesellschaft konformes Weiblichkeitsideal beziehen:
Zu allen Zeiten hat ein gesundes, glückliches Mädchen gern getanzt und wird zu allen Zeiten
gern tanzen. Es giebt wohl auch kaum ein Vergnügen, welches so alle Lebenslust weckt und
schwere Gedanken verscheucht, wie das Vergnügen des Tanzes. […] Der Tanz ist für die meis-
ten jungen Mädchen das höchste gesellige Vergnügen, das in ihren Augen durch kein anderes
übertroffen werden kann; schwärmen und träumen sie doch für und über die Freuden eines
Balles ebensolange vor- wie nachher.21
Momente der Nuancierungen weiblicher Figuren, wie beispielsweise des Typus der
auf eigenen Füßen stehenden ›neuen Frau‹, die das pulsierende Leben um sich
herum wahrnimmt und sich eine selbstständige Denkweise zu eigen macht, sind
auch vorhanden:
18 | Vgl. z.B. Perl, Henry [Henriette Perl]: Ein Staatsstreich der Liebe. Nach einer wahren
Begebenheit. In: Bukowinaer Post v. 1.4.1897, S. 1-2, hier S. 1: »Das Kind hatte ja eigent-
lich Recht, allein Thorheit war es doch, wenn ihre Tochter, die heute einen reichen, schönen,
jungen Mann wählen konnte, einen armen und, ihrem Dafürhalten nach, kaum hübsch zu
nennenden wählte.«
19 | Vgl. z.B. Kurz, Isolde: Winternacht. In: Bukowinaer Post v. 1.12.1895, S. 1: »O wie süß
die lange Winternacht/Still zu ruhen, wenn die Seele wacht!/Im Camine zuckt noch rother
Schein,/Scheu zum Fenster schlüpft der Mond herein.«
20 | Vgl. z.B. Friedland, Alma [Antonie Böhm]: Wenn die Veilchen blühen. Skizze. In: Bukowi-
naer Post v. 23.5.1897, S. 1-3, hier S. 1: »Nun erschien ihnen die Welt noch einmal so schön;
war sie doch getaucht in das Sonnengold der Liebe! Wie im Traum flogen ihnen die Tage nun
dahin; es war die schönste, die glücklichste Zeit ihres Lebens. Frühling war es gerade und es
blühten die Veilchen, als er ihr seine Liebe gestand.«
21 | Vandersee, Leon [Helene von Tiedemann]: Auf dem Balle. In: Bukowinaer Post v.
9.2.1899, S. 1-2, hier S. 1. Dieses Feuilleton wurde als Übernahme aus der Illustrierten
Sonntags-Zeitung ausgewiesen.
Transdifferenz und Transkulturalität
Migration und Alterität in den Literaturen und Kulturen Österreich-Ungarns
- Title
- Transdifferenz und Transkulturalität
- Subtitle
- Migration und Alterität in den Literaturen und Kulturen Österreich-Ungarns
- Authors
- Alexandra Millner
- Katalin Teller
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3248-8
- Size
- 15.4 x 23.9 cm
- Pages
- 454
- Keywords
- transdifference, transculturality, alterity, migration, literary and cultural studies, Austria-Hungary, Transdifferenz, Transkulturalität, Alterität, Migration, Literatur- und Kulturwissenschaften, Österreich-Ungarn
- Category
- Kunst und Kultur