Page - 31 - in Über Bücher reden - Literaturrezeption in Lesegemeinschaften
Image of the Page - 31 -
Text of the Page - 31 -
© 2021 V&R unipress, Brill Deutschland GmbH
ISBN Print: 9783847113232 – ISBN E-Lib: 9783737013239
dassTaschenbücher als Sekundärverwertung eineArt qualitativerVorselektion
durchdenBuchmarktdurchlaufenhabenmüssen,„womanschonweiß,dassdie
einbisschenangekommensind“ (G1/D1/Bm1,Z. 206).13
DasSpezifischeanGruppe1 ist dieGeschlechterzusammensetzung:Der ein-
zigeMann in denuntersuchtenGruppen ist inG1beheimatet. „Bm1:Und ich
wolltezuerstNICHTbeitretenalseinzigerMann,aberichbinmehroderweniger
gezwungenwordenundesgefälltmirsehr“(G1/D1,Z.51).14Inzwischenhaterdie
Rolle eines Sekretärsübernommen, derdieBuchhaltungbesorgt (akribisch ge-
führte Leseliste mit vorgeschlagenen und ausgewählten Büchern, Datum und
Anwesenheitsliste), die jeweiligen Autor*innen vorstellt und zur Rezeption
(Feuilleton-Rezensionen; Amazon-Kundenbewertungen) recherchiert. Bm1:
„[…] ich bin der einzigeMann in derRunde, darunter leide ich und auch die
Runde hie und da. (lachend) Bw3: (lacht) / Bw4: Na ja. (lacht)“. Die Frauen
empfinden die männliche Perspektive hingegen als Bereicherung.15 Die Ge-
schlechterperspektivewird in nahezu allenDiskussionen der Gruppe themati-
siert und führt mitunter zu eher neckisch als konfrontativ geführten Kontro-
versen.Eine inhaltlicheDominanzdesSekretärs lässt sichdaraus apriori nicht
ableiten, jedoch zeigendieGewichtungderRedeanteile unddiedirekteBezug-
nahmeaufÄußerungenvonBm1einestrukturelleundpragmatischeDominanz.
Die grundlegendeMotivation, sich zu einer Lesegruppe zusammenzuschlie-
ßen, lässt sich unter ‚Suche nach sozialemund literaturbezogenemMehrwert‘
subsummieren, wobei in sozialer Hinsicht derMaßstab die (üblichen) gesell-
schaftlichenBegegnungsformenvonVereinsarbeit bis Essenseinladungen sind,
in literaturbezogener die individuelle Literaturrezeption.DerMehrwert gegen-
über demprivatenBücherlesen zeigt sich imkommunikativenAustauschüber
dasGeleseneunddaszuLesendegleichermaßen.16InsozialerHinsichtbietetdie
(zustimmend).// Bm1: //auf demMarkt ist, ne.// Bw1: //Ja, zum Beispiel der Engel// des
Vergessens.Den//wolltenwirunbedingt lesenunddaswargebunden“. (G1/D1,Z.212–216)
13 Verweise aufdie einzelnenDiskussionenwerdenwie folgt abgekürzt:G1-G3bezeichnetdie
Gruppen, D1-D6 bezeichnet die Diskussionen, Z verweist auf die jeweiligen Zeilen im
Transkriptder entsprechendenDiskussion.
14 Die ebenfalls anwesende Ehefrau wies jegliche Zwangsausübung sofort zurück, was die
GruppemitGelächterquittierte.
15 „Bw6: //Eswäre sehr schade.//
Bw5: //(lacht)//
Bw2: //Ja.//
Bw1: //Oh ja.//
Bw5:Er ist eine //absoluteBereicherung, ja.//
Bm1: //Danke.//
Bw1: //Dawird immer deutlich,// wie verschieden //manchmalMannundFraudenken.//“
(G1/D1,Z. 57–63)
16 Aus den Freitextantworten der standardisierten Befragung (G1): „Diskussionsfreudigkeit“;
„dasssiebuntzusammengewürfelt istundoftkontroversdiskutiertwird“;„dassichanguten
LiterarischeBedeutungenaushandeln:DasKlagenfurter Lesekreise-Projekt 31
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Über Bücher reden
Literaturrezeption in Lesegemeinschaften
- Title
- Über Bücher reden
- Subtitle
- Literaturrezeption in Lesegemeinschaften
- Author
- Doris Moser
- Editor
- Claudia Dürr
- Publisher
- V&R unipress
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7370-1323-9
- Size
- 15.5 x 23.2 cm
- Pages
- 262
- Category
- Lehrbücher