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© 2021 V&R unipress, Brill Deutschland GmbH
ISBN Print: 9783847113232 – ISBN E-Lib: 9783737013239
schöneSätze“,vgl.G3/D1/B2,Z.1043;B3,Z.1061;B1,Z.1091;B5,Z.1314)undim
GroßenundGanzen als eine Provokationwahrgenommen, die auf lustvoll-ag-
gressiveWeise durchschaut (vgl. v. a. G3/D1/B2, Z. 1044) und in parodierend-
direkterAnrede rückgespiegeltwird: „habt ihr alle schonmitgekriegt, […]was
ich für schöne Sätze produzieren kann?“ (G3/D1/B5, Z. 1185–1188) – „Nadine,
bitte krieg dich mal ein“. – „Und erzähle vielleicht mal was“ (G3/D1/B2, B4,
Z. 1047f.). EineTeilnehmerin in derRundehat dasBuch „nach einemDrittel“
(B4, Z. 1077) der Lektüre weggelegt, weil sie „sich nicht weiter hanteln hätte
könnenvoneinemToll zumanderen“undwird in leidenschaftlichen, idiosyn-
kratrischgefärbtenWortenablehnend:„Ichkonnteesnichtweiterlesen.Ichhabe
es unerträglich gefunden“ – „Nein, das interessiertmich einfach nicht“ – „Ich
halte es nicht aus“ (G3/D1/B4, Z. 1079, 1092, 1095). EinGruppenmitglied, das
kurz per Telefon zugeschaltet wird, erhöht den Grad der Verständnislosigkeit
und Abneigung: „Mist“, „Gebrabbel“, „völlig Nichtssagendes“. (G3/D1/B6,
Z. 1291ff.)
Die zehn vom IZA dokumentierten Rezensionen erschienen in dem relativ
kurzen Zeitraum zwischen August und November 2014; die österreichische
Herkunft der Autorin lenkte offensichtlich die Aufmerksamkeit der österrei-
chischenTages- undWochenpresse auf denRoman– immerhindieHälfte der
Besprechungen stammt aus österreichischen Printorganen. Im Gegensatz zur
Lesegruppe, die gegenüber Kegeles Roman große Verständnislosigkeit und
großen Unmut äußert, bleibt das Feuilleton durchwegs positiv, wobei von
österreichischer Seite einzelne kritische Einwände formuliert werden. In den
AnsätzenähnlichderLesegruppeundimTonfallwesentlichmoderater,kritisiert
DiePressedie„holzschnitthaft[e]“ZeichnungderFrauenfiguren45unddasprofil
die„Überlänge“desRomanssowiedie„Unbedingtheit,mitderdieAutorinsich
am großen poetischenWurf versuchen wollte.“46 Letzteres stößt in der Süd-
deutschen Zeitung auf deutlich größeres Verständnis: „diese Österreicherin ist
ehrgeizigundtalentiert“.47DieBeurteilungvonStilmittelundErzähltechnikfällt
insgesamtunterschiedlichaus:ÄhnlichwiederzitierteArtikel improfilattestiert
auchDie Presse demWerk Unausgewogenheit („erzählerische[n] Bocksprün-
ge“48)währenddietageszeitungzueinemdiametralgegenläufigenUrteilkommt
(„Mit traumtänzerischemGespür wechselt Kegele zwischen den Tonlagen.“49).
Cathrin Kahlweit in der Süddeutschen Zeitung erinnert an die Kritik der Jury
beimBachmann-Preis, die denText seinerzeit als „sprachlich entgleist“ abqua-
lifiziert hatte und honoriert daraufhin die Überarbeitung, die die publizierte
45 Steindorfer2014.
46 Paterno2014.
47 Kahlweit2014.
48 Steindorfer2014.
49 Ebeling2014.
LiterarischeWertungen imVergleich 159
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Über Bücher reden
Literaturrezeption in Lesegemeinschaften
- Title
- Über Bücher reden
- Subtitle
- Literaturrezeption in Lesegemeinschaften
- Author
- Doris Moser
- Editor
- Claudia Dürr
- Publisher
- V&R unipress
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7370-1323-9
- Size
- 15.5 x 23.2 cm
- Pages
- 262
- Category
- Lehrbücher