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1 DIE UMSETZUNG DER THUN-HOHENSTEIN’SCHEN
REFORMEN26
Epoche47 nicht nur als reaktionäre Phase nach 1848 zu sehen, sondern auch
als eine staatlich gesteuerte Reformära, oder wie Lothar Höbelt es zuge-
spitzt formuliert, als eine „Modernisierungsdiktatur“48. Das Stichwort der
Diktatur stellt gleichzeitig den Bezug zu Thun her, dessen Amtsstil, wie es
Gary B. Cohen formulierte, einer „virtually dictatorial authority“49 ähnelte,
die Thun besonders für seine Personalentscheidungen nutzte. Die Domi-
nanz der Verwaltung gegenüber der Verfassung im Neoabsolutismus wurde
mehrfach – zuletzt von Waltraud Heindl – thematisiert50 und führt somit zu
den Universitätsreformen, zumal Thun die Ausbildung von loyalen Beamten
und Verwaltungsjuristen an den juridischen Fakultäten als zentrales Ziel
der Universitäten definierte. Zudem wurden Universitäten und die daraus
hervorgehenden Absolventen zunehmend als Produktivkraft angesehen, die
der Monarchie einen Modernisierungsschub geben sollten. Inwieweit dieser
Prozess auch im vorliegenden Fall der Universität Innsbruck diskursiven
Widerhall gefunden hat und wenn ja, wie dieser Prozess bewertet wurde,
wird ebenfalls in der Arbeit untersucht.
Die Perspektive, den Neoabsolutismus auch als Modernisierungsphase zu
betrachten, soll indes nicht den Blick auf die Konflikte verstellen, die in der
Revolution von 1848 aufgebrochen sind, damals aber nicht gelöst wurden.
Im Kontext der Universität Innsbruck spielt hier besonders die Frage der
Unterrichtssprache und des nach und nach in die Universität getragenen
Nationalitätenkonflikts eine zentrale Rolle, gerade weil ein großer Teil der
Studenten in Innsbruck aus dem heutigen Trentino51 stammte (Kap. 7). Eine
Untersuchung der Sprachenpolitik Thuns an der Universität Innsbruck er-
Herrschafts- und Regierungssystem, in: Dusan Kovác (Hg.), Die Habsburgermonarchie und
die Slowaken. 1849–1867, Bratislava 2001, S. 9–20; Georg Christoph Berger waLdenegg,
Mit vereinten Kräften! Zum Verhältnis von Herrschaftspraxis und Systemkonsolidierung
im Neoabsolutismus am Beispiel der Nationalanleihe von 1854 (= Veröffentlichungen der
Kommission für Neuere Geschichte Österreichs 94), Wien 2002.
47 Zur Frage der Tauglichkeit dieses Epochenbegriffs Rumpler, Der österreichische Neoabso-
lutismus als Herrschafts- und Regierungssystem.
48 Lothar HöBeLt, Graf Karl Wolkenstein (1802–1875). Der Alte vom Berg oder das Gewissen
der Rechtspartei, in: Robert Rebitsch/Elena Taddei (Hgg.), Innsbrucker Historische Stu-
dien. Politik – Konflikt – Gewalt, Innsbruck, Wien, Bozen 2007, S. 221–231, hier S. 223.
49 Gary B. coHen, Education and Middle-Class Society in Imperial Austria 1848–1918, West
Lafayette 1996, S. 26.
50 Vgl. Waltraud HeindL, Josephinische Mandarine. Bürokratie und Beamte in Österreich, Bd.
2 1848–1914 (= Studien zu Politik und Verwaltung 107), Wien, Köln, Graz 2013, hier S. 48ff.
51 In den Quellen ist dabei meist von Studenten aus „Südtirol/Südtyrol“ die Rede, was nicht
mit dem heutigen Südtirol verwechselt werden darf. Siehe zur Begrifflichkeit auch Her-
mann J. W. kuPrian, „Ein rauher Alpenwind, wie der Scheidegruss Nord-Tyrol’s, weht aus
den Felsklüften des Brenner“. Zur Geschichte des Begriffes „Nordtirol“, in: Geschichte und
Region. Storia e Regione 9 (2000), S. 171–190.
Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
Aufbruch in eine neue Zeit
- Title
- Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
- Subtitle
- Aufbruch in eine neue Zeit
- Author
- Christof Aichner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20847-1
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 512
- Keywords
- University of Innsbruck, University Reforms, Thun-Hohenstein, Leo, Universität Innsbruck, Reform, Universitätspolitik, Thun-Hohenstein
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen